Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Treffpunkt bestanden hatte. Brage Håkonsen haßte den Stenspark. Er konnte die kleine grüne Lunge zwischen Stensgate und Pilestredet kaum durchqueren, ohne von dem Abschaum belästigt zu werden, der sich immer hier herumtrieb, von widerlichen Schwulen, die ihn immer für ihresgleichen hielten, egal, wie er sich kleidete oder verhielt.
Außerdem hätte er einen späteren Zeitpunkt vorschlagen sollen. Es war doch noch hell. Der Lieferant hatte jedoch nicht mit sich reden lassen, er sei unterwegs ins Ausland und wolle die Sache hinter sich bringen.
Brage Håkonsen hatte drei Runden durch den Park gedreht. Er konnte nicht stehenbleiben, denn dann kamen sie angekrochen. Die Termiten der Gesellschaft.
Endlich. Der Mann im dunklen, knöchellangen Mantel machte eine winzige Bewegung in Håkonsens Richtung. Brage Håkonsen sah sich so diskret wie möglich nach allen Seiten um und ging dann auf den anderen zu. Im Vorübergehen merkte er, daß etwas in seine Tasche fiel, ein Nylonbeutel, in dem sein Trainingsanzug lag. Er hatte den einen Handgriff gerade im richtigen Moment losgelassen.
Jetzt packte er ihn wieder und lief zu den beiden Mülleimern am Parkausgang. Er öffnete den einen und ließ einen zerfetzten Umschlag hineinfallen.
Fünftausend waren gar nicht schlecht. Nicht für eine unregistrierte, effektive Waffe. Als Brage Håkonsen den Park verließ, sah er aus dem Augenwinkel, daß der Mann im langen Mantel auf die Mülleimer zuging. Brage lächelte und packte seine Tasche noch fester.
Plötzlich lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Den Mann dort hinten, der zeitunglesend unter einem hohen Baum stand, hatte er schon einmal gesehen. Am selben Tag. Vor kurzem erst. Er versuchte sich genauer zu erinnern. Am Kiosk? In der Straßenbahn? Er lief schneller und schaute über die Schulter, um zu sehen, ob der Zeitungsleser ihm folgte. Das tat er nicht. Er schaute ihm nur hinterher, um sich dann wieder seiner Lektüre zu widmen.
Er war bestimmt einer von den Schwulen. Brage atmete erleichtert auf und ging in Richtung Tiermedizinisches Institut weiter.
Aber der Gedanke an den zeitunglesenden Mann ließ ihm keine Ruhe. Eigentlich wollte er zur Hütte fahren und die Waffe dort verstecken. Bis auf weiteres. Bis sein Plan feststand. Der Plan war fast komplett, aber eben nur fast. Er wußte nicht so recht, wen er hinzuziehen sollte. Allein würde er die Sache nicht durchziehen können. Aber er wollte nur einen Helfer dabeihaben. Je mehr mitmachten, desto größer war die Gefahr, daß alles den Bach hinunterging.
Jetzt, da die Ministerpräsidentin erledigt war, war als nächstes die Parlamentspräsidentin an der Reihe. Das würde von gewaltigem symbolischem Wert sein. Aber als er seine Wohnungstür aufschloß, kamen ihm Zweifel. Er konnte nicht zur Hütte fahren. Niemand wußte, daß er die hatte – bis auf die alte Dame aus dem Erdgeschoß, für die er einkaufte und die Treppe putzte, und die ihm zum Dank die Schlüssel für die Hütte gegeben hatte. Sie war kinderlos und uralt und kannte kaum andere Menschen als die, die ihr dreimal in der Woche Essen auf Rädern brachten. Er hatte eigentlich keine Hintergedanken gehabt, als er angefangen hatte, sich ab und zu mit ihr zu unterhalten, aber dann hatte sich herausgestellt, daß ihr Mann sich im Krieg an die Ostfront gemeldet hatte und dort gefallen war. Und seitdem half er ihr. Um die eigenen Leute hatte man sich zu kümmern. Das war Ehrensache.
Er wollte zur Hütte. Aber eine innere Stimme sagte ihm, daß er das lieber nicht tun solle. Sie sagte ihm auch, daß die Waffe keinesfalls in seiner Wohnung oder in seinem Kellerraum liegen dürfe.
Er ging in den Keller hinunter, schloß Frau Svendsbys Raum auf und legte die noch eingepackte Pistole hinter vier Gläser Marmelade des Jahrgangs 1975.
Er hatte sich die Waffe nicht einmal näher angesehen, als er den Raum wieder verschloß und den Schlüssel zwischen zwei Deckenbalken verstaute.
Frau Svendsby hatte kaputte Hüftgelenke und war seit über fünfzehn Jahren nicht mehr in ihrem Keller gewesen.
19.10, Restaurant Tranen
Hanne Wilhelmsen saß in der verräucherten Kneipe, schaute auf die Uhr und versuchte, sich nicht zu ärgern. Endlich kam Øyvind Olve atemlos hereingestürzt. Er schaute sich verwirrt um und entdeckte Hanne Wilhelmsen erst, als sie ihm zuwinkte. Erleichtert ließ er sich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen. Dann knallte er seine Tasche auf den Tisch.
»Aber Øyvind«, sagte sie mit
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