Im Zeichen des Schicksals
brauchte, daher war es in Ordnung, es auszukosten, bis es Zeit war zu gehen.
Ich putzte mir die Zähne und schaute nach meiner Wange. Die Schwellung war schon fast ganz zurückgegangen, und die Ränder des Blutergusses färbten sich gelb. Ein gutes Zeichen.
Der Föhn war in dem Schrank unter dem Waschbecken, aber ich entschied mich gegen das Föhnen, da es zu viel Lärm machen würde, und flocht mir stattdessen das Haar. Die Sonne ging auf. Orangefarbenes Licht erfüllte das Schlafzimmer, während ich Socken, Unterwäsche, einen BH, Jeans und einen hellgrünen Pullover aus dem Schrank aussuchte.
Es war, soweit ich mich erinnern konnte, das erste Mal, dass ich Kleidung trug, die nicht zuvor von jemand anderem getragen worden war. Ein neues Haus. Neue Kleidung. Neue Bücher. Und so wunderbar das alles war, mir war das alles wegen einer Lüge zugeflogen. Einer dicken, fetten Lüge, die keinen Bestand haben konnte.
Die Uhr neben dem Bett zeigte fünf Uhr fünfzehn. Ich steckte mir den Ritter der Kelche hinten in die Hosentasche und nahm das Analysisbuch vom Tisch, dann ging ich nach unten. Ich hatte den größten Teil meines Lebens in der einen oder anderen Küche zugebracht, und so war es auch hier die Küche, die mich besonders anzog. Und die Küche der Beaumonts war wunderschön. Geräumig, sauber, hell. Es juckte mich in den Fingern, irgendetwas zuzubereiten, aber es erschien mir falsch, die Schränke von anderen Leuten zu durchstöbern.
Ja, das war offenbar der Punkt, wo ich die Grenze zog. Ich log und trichterte den Leuten Schuldgefühle ein, bis sie das Gefühl hatten, mich in ihrem Haus aufnehmen zu müssen. Aber ihre Küchenschränke wollte ich nicht anrühren. Du bist ja so ein toller Mensch, Celine.
Ich setzte mich an den Küchentisch und machte mit den Analysisaufgaben an der Stelle weiter, wo wir am Abend zuvor aufgehört hatten. Ich schaffte sechs, bevor ich es aufgab. Auf keinen Fall würde Josh etwas dagegen einzuwenden haben, wenn ich einen kleinen Blick in seinen Kühlschrank warf. Er hatte sicher Hunger, wenn er aufwachte, also konnte ich ihm vielleicht etwas Kleines zubereiten. Er würde das wahrscheinlich sogar mögen. Es wäre eine Art Dankeschön für seine Hilfe in Mathe.
»Ich bin ein schlechter Mensch«, flüsterte ich in die leere Küche hinein.
Ehe ich es mir ausreden konnte, hatte ich alle Schubladen im Raum durchsucht und Mehl, Zucker, Backpulver, Kakao, Erdnussbutter, Schüsseln und ein Dutzend anderer Zutaten und Gerätschaften auf den großen marmornen Arbeitsflächen aufgereiht. In den Regalen stapelten sich Gläser und sonstige Gefäße, gefüllt mit allem, was man sich wünschen konnte, und im Kühlschrank fand ich eine Packung wunderbarer Erdbeeren.
Schließlich zog ich den Ritter der Kelche aus der Hosentasche, legte ihn auf die Arbeitsfläche und machte mich an die Arbeit. Ich zerließ Butter, schlug Eiweiß, rührte unter und tunkte ein. Zwei Tafeln Schokolade kamen in einen Topf, der in einem größeren Topf mit kochendem Wasser schwamm.
»Man muss aufpassen, dass kein Wasser in die Schokolade kommt«, erklärte ich der Karte. Der Ritter antwortete nicht. Die Karten antworteten nie. Aber das ging in Ordnung. Ich hatte sie immer gerne um mich, um die Einsamkeit etwas in Schach zu halten.
Als ich Kokosmilch in den Teig gab, strömte die Sonne durch die Küchenfenster. Es war so viel Raum hier. So viel Licht. Ich hatte das Gefühl zu schweben. Alles sah so hübsch aus. Ich legte die in Schokolade getauchten Erdbeeren auf Wachspapier, damit die Schokolade hart wurde, und löffelte Kaffee in einen Filter. Alle Sorgen lösten sich in Luft auf, als sich die Kokospfannkuchen in der Pfanne goldbraun färbten und der Duft von Costa-Rica-Kaffee den Raum erfüllte.
Mit dem Ritter der Kelche wieder sicher in der Hosentasche spülte ich gerade die letzten Töpfe, als die Küchentür aufging.
»Mademoiselle Celine?« Maries Augen weiteten sich, als sie den Stapel Pfannkuchen sah, die Schale mit den in Schokolade getunkten Erdbeeren und das Erdnussbutterglas auf dem Tisch.
»Guten Morgen, Marie. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen … ich war ein wenig unruhig und zappelig.«
»Zappelig?«, wiederholte Marie. Dann brach sie zu meiner maßlosen Erleichterung in lautes Lachen aus. »Das sieht ja wunderbar aus, Mademoiselle Celine. Wo haben Sie das bloß gelernt?«
Aus Kochbüchern vom Secondhandshop und von einer alten Italienerin lautete die Wahrheit, aber ich durfte ja nicht
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