Im Zeichen des Schicksals
ich vor dem Feuer zurück. Der Junge steht in Flammen. Überall, seine Brust, sein Gesicht, seine versengten Augenbrauen; er verwandelt sich in Asche. Das Feuer verbrennt seine Haut, sodass sie erst roh und rot wird und dann schwarz. Alles löst sich auf! Mein Gott!
»Entschuldige bitte.«
Ich blinzelte verwirrt und musterte den dunkelhaarigen Jungen in der Reihe vor mir. Mit einem Lächeln im Gesicht zog er seine Hand unter der meinen weg. Kein Rauch. Er war nicht verbrannt. Außerstande, mich zu bewegen, sah ich zu, wie er sich wieder seinen Freunden zuwandte.
»Celine, alles in Ordnung?« Melissa war aufgestanden. Alle standen! Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. War die Versammlung vorüber? Natürlich war sie vorüber! Ich stand ebenfalls auf. Hunderte von Stimmen hallten von der hohen Decke wider. Die Schüler plauderten miteinander und warteten darauf, ihre Bänke verlassen zu können. Die letzten Reihen wurden als Erste hinausgelassen. Ich sah mich hektisch um und entdeckte Josh im Gang direkt vor dem Podium. Ich musste das Feuer verhindern, aber wie!?
»Ich muss fort!«, sagte ich, und dann rannte ich auch schon. Es spielte keine Rolle, dass die Leute mich wütend anstarrten, nichts spielte eine Rolle, außer dass ich verhindern musste, was sonst gleich geschehen würde. Wahrscheinlich war es ein Gasleck. Nichts anderes hätte sich einfach so an der Luft entzünden können, oder? Das Herz hämmerte mir in der Brust, als ich den Nebeneingang zum Hauptgebäude erreichte und die hintere Treppe ins erste Stockwerk hinaufrannte. Der Flur war leer, aber welche Tür führte in den Chemiesaal?
Hastig las ich die Namen an den Türen. Friedrich Nietzsche, David Hume, Adam Smith. Ich öffnete die Tür mit dem ersten Namen, den ich nicht kannte: Antoine Lavoisier . Es war wie ein Déjà-vu. Die langen Tische, die Bunsenbrenner, die Reagenzgläser … aber wie sollte ich wissen, welcher Brenner? Ich konnte kein Gas riechen!
Komm schon, beweg dich, du hast keine Zeit zu verlieren! Ich nahm mir den ersten Tisch vor und folgte der blauen Gasleitung, die unter dem Tisch vom Brenner wegführte. Sie wirkte unbeschädigt. »Mist!« Ich war beim dritten Tisch, als die Tür aufging.
»Celine?« Es war Ian.
Mir lief die Zeit davon! Nein, nein, nein, es durfte auf keinen Fall passieren!
»Schließ die Tür ab!«, flehte ich und eilte zum nächsten Tisch.
»Was ist los?«
Erneut Fehlanzeige. Ich stand rasch auf und sah, dass Ian einen Stuhl unter den Türgriff geschoben hatte.
»Ein Gasleck. Ich kann das Gas riechen, aber ich kann es nicht finden!« Verzweiflung machte sich in meiner Stimme breit. Ich durfte sie nicht verbrennen lassen!
Ian packte mich am Arm und zwang mich, in seine versteinerten Züge zu blicken.
»Nein, lass mich los! Ich muss das Leck finden!«
Ian schüttelte mich energisch. »Beruhig dich. Ich werde es finden. Du öffnest das Fenster. Geh schon.« Er versetzte mir einen Schubs, und ich gehorchte. Meine Hände zitterten, als ich das vierte der Fenster nach oben schob.
»Wer ist da drin? Öffnen Sie sofort diese Tür!« Eine wütende Stimme drang von der anderen Seite der Tür herüber. Jemand versuchte hereinzukommen.
»Ian!«, flüsterte ich verzweifelt und öffnete das letzte der Fenster. Ich durfte sie nicht hereinkommen lassen. Notfalls würde ich ihnen eben von dem Leck erzählen müssen. Dann würden sie wissen wollen, woher ich davon wusste, und es würde so aussehen, als sei ich selbst daran schuld. Aber das war unwichtig. Ich würde auf keinen Fall zulassen, dass irgendjemandem etwas zustieß! Dieser Junge … sein Gesicht … er durfte nicht verbrennen! Sein Gesicht … Oh Gott!
»Hab’s gefunden!« Ian kam hinter dem Tisch in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes hervor und ging rasch durch den Raum. »Ich habe das Gas abgedreht. Und jetzt lass mich nur machen, ich regel das schon.« Dann war er auch schon an der Tür und rief dem Chemielehrer zu: »Mr. Horvath, ich glaube, die Tür klemmt. Könnten Sie bitte einen Schritt zurücktreten?«
»Mr. McAlpine, sind Sie das?«
Ian gab mir ein Zeichen, mich gegen die Tür zu drücken. Ich tat wie geheißen, während er den Stuhl unter dem runden Türgriff wegzog und ihn dorthin zurückstellte, wo er hingehörte.
»Ich glaube, jetzt geht es«, rief Ian wieder und bedeutete mir zur Seite zu treten. Ich machte einen Schritt zurück, und er öffnete die Tür.
Mr. Horvath wirkte alles andere als erfreut. »Mr. McAlpine, würden Sie mir
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