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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Betty ließ die Worte ein bisschen auf sich wirken bevor sie in das Brummen des Busses hineinsprach: »Tja, Leude.«
    Der Verkehr verlangsamte sich, wie das immer der Fall war, wenn man eine Mautstation anfuhr und sich in die Reihen wartender Autos einfädeln musste. Betty überblickte den Asphaltplatz und entschied sich für die Einfahrt rechts außen. Dort war die Bahn frei. Sie fuhr neben das Kassenhäuschen, zog ihr Portemonnaie aus der Tasche. »Mach jetzt bloß keinen Unsinn, Schätzelein, ja?« Sie schenkte mir einen langen, eindringlichen Blick. »Wir besprechen das später in Ruhe. Ich finde, wir sollten dringend diese Dreißigjährigen-Krisensache noch einmal genauer beleuchten …« Während ich daraufhin mit den Augen rollte, drehte sich Betty nach links zum Fahrerfenster, um zu zahlen. Aber da saß niemand im Maut-Häuschen.
    »Äh …«, sie schnallte sich irritiert ab und hielt ihren Kopf aus dem Fenster.
    »Wir können doch einfach eine andere Reihe nehmen«, schlug Lucy vor.
    Ich versuchte, die lose Handschuhfachabdeckung mit dem Fuß wieder anzudrücken. Klappte nicht.
    »Warum fahren wir nicht zu einem anderen Kassenhäuschen?« Lucy wieder.
    Betty zog den Kopf ein und öffnete die Tür. »Weil das nicht nötig ist, Lucinda. Da vorn steht ein Automat.« Sie deutete durch die staubige Windschutzscheibe auf einen großen, weißen Kasten links vor unserem Bus. »Da werde ich Geld reinwerfen, und schon geht’s weiter«, sagte sie, hüpfte aus dem Bus und marschierte auf den Automaten zu.
    Ich trat noch einmal gegen das Handschuhfach, aber mit Gewalt würde sich dieses Problem wohl nicht lösen lassen. Dieses nicht und auch kein anderes. Ich beschloss, mir etwas die Beine zu vertreten, und öffnete meine Tür, um Betty zu folgen.
    »Wo gehst du hin?«, fragte Lucy von der Rückbank. Neben ihr öffnete Karol verschlafen die Augen.
    »Raus.«
    »Ich auch«, sagte der Pole und stand auf. »Ich muss mich erleichtern.«
    »Dann komm ich auch mit!« Hektisch fummelte Lucy ihre Füße in die pinkfarbenen Flip-Flops und trottete Karol hinterher, und ich musste an das denken, was Hannes mir erzählt hatte. Dass Lucy einfach ins Badezimmer kam, wenn er auf dem Klo saß. Und dann dachte ich, dass wohl doch etwas Wahres an der Theorie war, dass wir alle immer wieder dieselben Fehler in Beziehungen machten.
    Betty ließ unterdessen ratlos ihren Zeigefinger vor den Tasten des Automaten schweben und wieder sinken. »Das ist alles Französisch.«
    »Wer hätte das gedacht?« Ich überflog die Anleitung neben den Knöpfen und verstand kein Wort. Nicht einmal genug, um zu raten.
    »Und?«
    »Keine Ahnung. Andere Reihe?«
    Betty presste stur die Lippen aufeinander. »Nö. Ich lass mich doch nicht von so einem dahergelaufenen Automaten kleinkriegen.« Dann las sie noch einmal konzentriert die Erklärung. Oder tat so, echtes Lesen hätte ja eine Kenntnis der Sprache vorausgesetzt. Frustriert stöhnte sie auf. »Wäre eine Zeichnung denn wirklich zu viel verlangt gewesen?«
    »Lass dir Zeit. Karol muss sich eh gerade erleichtern.«
    »Erleichtern?!«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wie wär’s mit dem hier?« Ohne lange nachzudenken, drückte ich den größten Knopf, den ich entdecken konnte. Den roten. Eine Sekunde später machte der Automat ein knacksendes Geräusch. Es rauschte im Lautsprecher.
    »Oui?«
    Betty sah mich erschrocken an.
    »Sag was«, flüsterte ich.
    »Äh, oui. Bonjour. Ehm … I’m on the right.«
    »Oui?«
    »I have a roof.« Vermutlich half es Betty beim Denken, zu gestikulieren, denn sehen konnte außer mir niemand, wie sie ihre Hände über dem Kopf zusammenhielt, um das Dach unseres Busses nachzubilden.
    »Betty, jedes Auto hat ein Dach.«
    »Push the button«, sagte die Stimme aus dem Automaten mit einem starken französischen Akzent.
    Hilflos wanderte Bettys Blick über die Reihe von Knöpfen. »Which one?«
    Ich drehte mich um, lehnte mich an den Automaten und ließ meinen Blick über die Wiese neben der Mautstation wandern. Er kam nicht weit.
    Betty drückte einen Knopf. »This one?«
    »Non«, sagte der Automat.
    Ich stieß Betty mit dem Ellenbogen in die Seite. »Betty?«
    »Nicht jetzt, Schätzelein.« Noch ein Knopf. »This one?«
    »Non.«
    »Betty!« Ich zupfte sie etwas ruppig am Arm und zeigte, nachdem ich nun endlich ihre Aufmerksamkeit hatte, auf den Grünstreifen neben den Büschen, in die sich zuvor mit großer Wahrscheinlichkeit Karol erleichtert hatte. Aber jetzt war er damit

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