Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
eine Erfrischung anzubieten - ganz so, wie es die Gastfreundschaft gebot. Die Tradition verlangte ebenfalls, dass ein adeliger Gast am Familientisch verköstigt wurde.
Nur widerwillig ließ Valandra McGregor diese Ehre zuteil werden und führte ihn zu der erhöhten Plattform. Doch als sie ihm einen Platz weit entfernt vom Lordstuhl anbot, hob ein boshaftes Lächeln seine Mundwinkel. Er ignorierte den ihm zugewiesenen Platz und sank stattdessen auf den Lordstuhl, wobei er lässig ein Bein über die Armlehne hängen ließ.
Augenblicklich drohte die Anspannung im Saal zu eskalieren. Niemand außer dem Burgherrn besaß das Recht, auf diesem thronähnlichen Hochstuhl Platz zu nehmen. Die Lamont-Krieger griffen ob dieser derben Beleidigung zu den Waffen, was McGregor mit einem höhnischen Lächeln zur Kenntnis nahm. Nur mit Mühe gelang es Valandra, die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie wünschte sich wirklich, dass Ranulf auf dieses Versteckspiel verzichten möge und sich endlich zu erkennen gäbe. Er würde diesen Bastard in seine Schranken weisen. Im nächsten Augenblick schalt sie sich eine verweichlichte Närrin. Was sollte dieses Zögern? Seit wann überließ sie die Verantwortung so bereitwillig einem anderen? Sie hatte vor Ranulfs Ankunft monatelang allein die Burg verteidigt und war mit wesentlich größeren Schwierigkeiten allein zurechtgekommen.
„So zeigt Ihr also Euer Bestreben nach Freundschaft? Indem Ihr den Lordsitz entweiht?“, erkundigte sich Valandra kühl.
McGregor zog einen kleinen Dolch aus seinem Stiefel und säuberte sich angelegentlich die Fingernägel damit. „Ehrlich gestanden bin ich erstaunt, dass Ihr mich tatsächlich eingelassen habt. Ich hätte mit größerem Widerstand gerechnet. Bisher wart Ihr nicht sehr entgegenkommend.“
Valandra schluckte ihren Ärger mühsam hinunter. Sie setzte sich ebenfalls und erklärte frostig: „Ich wollte Euch die Mühe ersparen, nachts über meine Burgmauern klettern zu müssen.“
„Ah, Lady Valandra, Euer Misstrauen kränkt mich“, höhnte McGregor und prostete ihr amüsiert zu.
Valandra beobachtete die Krieger, die sich über die Tische hinweg anstarrten. In der Halle lag ein angespanntes Schweigen, und die Feindseligkeit war beinahe greifbar.
„Ich bezweifle, dass Euch irgendetwas kränken könnte. Aber nun zum Wesentlichen. Was wollt Ihr wirklich?“
„Das sagte ich bereits. Ich bin hier, um Euch vor üblen Banditen und Gesetzlosen zu beschützen.“
Er blickte sich wohlwollend in der sauberen Halle um und nahm die teuren Wandteppiche und den goldenen Zierrat wahr. „Hier hat sich einiges verändert. Habt Ihr einen vergrabenen Familienschatz gefunden, oder woher stammen all diese Reichtümer?“
Valandra blieb ihm eine Antwort schuldig und schürte damit sein cholerisches Temperament. Seine Reaktion folgte augenblicklich. Wütend rammte er die Dolchspitze in die Tischplatte, packte ihr Handgelenk und beugte sich bedrohlich vor. „Antwortet! Ich habe Euch etwas gefragt!“
„Das hat Euch aber nicht zu kümmern!“
McGregors silberblaue Augen funkelten warnend und jagten Valandra einen eisigen Schauer über den Rücken. Sein Griff war schmerzhaft, doch sie ließ sich nichts anmerken und gab ihren besorgten Männern das Zeichen, die Schwerter wieder einzustecken.
McGregors Absicht war offensichtlich. Er versuchte mit allen Mitteln, einen Kampf heraufzubeschwören, doch das würde sie nicht zulassen. Keinen einzigen ihrer Männer würde sie ihm opfern.
Mit einer Ruhe, die sie selbst erstaunte, ließ sie die freie Hand unter den Tisch gleiten und tastete unauffällig am Tischblatt entlang, bis sie fand, wonach sie suchte.
„Ihr solltet mich nicht zu Eurem Feind machen!“, schnaubte McGregor.
„Soweit ich weiß, sind wir seit Generationen Feinde“, entgegnete sie kühn.
„Weshalb sollten wir uns etwas vorspielen? Und jetzt würde ich vorschlagen, Ihr nehmt Eure Hände von mir, oder...“
Sein Griff verstärkte sich, und Valandra fürchtete, er werde ihr gleich das Handgelenk brechen.
„Oder was? Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet mir drohen?“
Valandras Hand schnellte vor. „Ich nicht... Aber was meint Ihr zu einem doppelschneidigen Schwert, das gerade zwischen Eure Beine zielt?“ McGregor erblasste, während er ungläubig auf die polierte Schwertspitze hinunterblickte, die sich unter dem Tisch auf ihn richtete. Sie verharrte nur wenige Millimeter von seinen Lenden entfernt.
„Wenn Ihr auch nur einen
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