Im Zwiespalt der Gefuehle
dich nicht wieder zwischen mich und meine Männer! «
»Sie sind Lankonier! Sie sind nicht Eure Männer! fauchte sie noch, als sie das Zimmer schnell verließ und zur großen Halle eilte. Wenn sie Glück hatte, erwischte sie noch etwas zu essen. Die Tafel wurde gerade abgeräumt. Sie nahm sich ein Stück Wildpastete und verzehrte es, während sie das Schloß verließ. Draußen konnte sie wenigstens atmen.
Sie ging auf die Unterkünfte der Männer zu, als ihr Geralt entgegenkam. »Du hast nicht am Essen teilgenommen«, stellte sie fest.
»Soll ich mit meinem Feind an einem Tisch sitzen? « fragte er höhnisch. »Ich habe gehört, daß du jetzt mit ihm zusammen wohnst. «
»Und mit ihm reise. Der Narr will die Stämme vereinen«, erzählte sie und steckte sich das letzte Stück Pastete in den Mund.
Geralt lachte spöttisch. »Er wird vom ersten Stamm, dessen Gebiet er betritt, umgebracht werden. «
Sie spürte, daß ihr Bruder sie musterte. »Das habe ich ihm auch gesagt, aber er hört nicht zu. Er wird bald tot sein, und vielleicht ist es besser, wenn es so endet. Einige Männer scheinen ihn zu mögen. Xante ist immer in seiner Nähe. «
Geralt kam näher und senkte seine Stimme. »Du könntest seinen Tod beschleunigen… «
Sie spuckte etwas aus, was ihr zwischen die Zähne geraten war. »Ich bin keine Mörderin. Bald genug wird er sich selbst umbringen. «
»Also ist es wahr, daß du zu ihm übergelaufen bist. Cilean meinte, du hättest ihn für dich gewollt. Deshalb hättest du sie beim Honorium zu Boden geschlagen. Sag mir, für wen fließt dein Blut schneller durch deine Adern — für diesen blassen Ausländer oder für dein Volk? «
Sie bebte. »Glaubst du, deine ekelhaften Vorwürfe würden mich dazu bringen, ihn zu ermorden? Ich sage dir — er ist ein Dummkopf, und er wird sich bald selbst erledigt haben. Er braucht dabei keine Hilfe! Dann wirst du König - und zwar ohne daß das Blut deines englischen Bruders an deinen Händen klebt! «
»Du könntest von ihm schwanger werden«, mutmaßte Geralt.
»Das wird nicht geschehen«, antwortete Jura.
»Ist er denn kein vollwertiger Mann? « wunderte sich Geralt.
»Ich weiß es nicht. Er behauptet, daß er Gott geschworen hat —« Sie unterbrach sich. »Dieser Mann wird keine Kinder zeugen. Warte nur und habe Geduld - du wirst schon noch König. « Sie wandte sich von ihm ab und ging durch die inneren Tore in die Stadt. Es war ruhig, denn alles — Mensch und Tier — ging um diese Zeit schlafen.
Die Stämme einen, dachte sie. Die Idee war natürlich unmöglich. Die Stämme haßten einander zu sehr. Sie konnten nicht miteinander auskommen. Das würde dieser dumme Engländer nie verstehen. Man mußte schon Lankonier sein, um die lankonische Denkweise zu begreifen.
Nun ja, dachte sie, das ist ja sowieso gleich, weil dieser Narr bald umkommen wird.
Sie blieb stehen. Es wäre sehr schade, wenn er stürbe, ehe sie mit ihm im Bett gewesen war. Schließlich und endlich waren sie ja verheiratet.
Gähnend ging sie wieder zu Thals Schloß. Heute nacht würde sie mit ihm zusammen in einem Zimmer schlafen. Vielleicht war sie dann morgen früh keine Jungfrau mehr… Dieser Gedanke ließ sie schneller gehen. Sie lächelte.
8. Kapitel
Juras Annahme, daß ihr Ehemann Thals Gemächer benutzte, war richtig gewesen. Als sie die Tür aufstieß, sah er verwirrt auf.
»Warum bist du hier? « fauchte er.
»Ihr habt es mir selbst befohlen«, erwiderte sie ruhig. »Eure anmaßenden Engländer mußten mich doch mitsamt meinen Habseligkeiten aus den Frauenquartieren holen und hierherbringen. Ich nahm an, daß ich endlich meine Pflichten als Königin aufnehmen müßte. « Sie fügte tonlos hinzu: »Wenigstens solange ich noch eine bin. «
Er sah sie nachdenklich an. »Ich glaube, du mußt hier bleiben«, meinte er ergeben. »Geh, setz dich dort drüben hin und schweig. « Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Tisch zu, der mit Büchern und Pergamentrollen übersät war.
Jura fragte sich, ob er die Bücher wohl mitgebracht oder sie aus Thals magerer, kaum benutzter Bibliothek genommen hatte. Sie hatte keine Lust, ihm zu gehorchen. Also ging sie zu ihm und blickte über seine Schulter.
Er fuhr herum. »Was machst du da? « giftete er.
»Zuschauen«, antwortete sie, dann wies sie auf die Karte, die er in der Hand hielt. »Das stimmt nicht. Die Grenze der Vatell liegt weiter nördlich. Thal hat ihnen ein gutes Stück Land abgenommen, als ich noch ein Kind war. In
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