Im Zwiespalt der Gefuehle
daß er besser an ihre Lippen gelangen konnte. Dann küßte er sie tief und leidenschaftlich.
»Bekämpfte mich nicht, Jura«, bat er. »Sei meine Frau. Steh mir zur Seite. «
Sie wich zurück. »Wenn ich Eure Frau sein soll, nur um dabeizustehen und zuzusehen, wie Ihr mein Volk zur Schlachtbank führt — eher sterbe ich! «
Rowan straffte sich. »Diese Aufgabe hat mir mein Vater übertragen. Ich möchte sie erfüllen. Du magst ja denken, das Krieg die einzige Lösung des Problems darstellt — aber es gibt auch noch andere Wege. Ich bete nur darum, daß die Irial mehr Nutzen aus ihren Ehen ziehen werden als ich. « Er drehte sich um und wollte gehen.
»Nein! « rief sie und ergriff seinen Arm. »Ich flehe Euch an: Macht dieser Sache ein Ende! Die Leute vertrauen Euch. Ich habe ihre Blicke gesehen. Sie werden Euch folgen. Führt sie nicht in den sicheren Tod. «
»Du darfst mich nur um eine einzige Sache bitten. In allen anderen Dingen hast du nur zu gehorchen. Du sollst mich versorgen, wenn ich vom Schlachtfeld komme, darauf achten, daß ich warmes Essen bekomme, und vielleicht eines Tages meine Kinder zur Welt bringen. Ich habe nicht vor, mein Land zusammen mit einem weiblichen Ratgeber zu regieren. « Er verließ die Nische.
Jura blieb stehen und versuchte, ihre kochende Wut zu bekämpfen. Diesem Mann mußte Einhalt geboten werden! Sie wußte, daß das Volk ihm folgen würde. Sie hatten auf ihn ebenso reagiert wie sie selbst bei ihrem ersten Treffen
am Fluß. Damals wäre sie ihm auch gefolgt, wenn er sie darum gebeten hätte. Aber jetzt war ihr Kopf wieder klar, und sie konnte ihm zuhören, ohne von seinem guten Aus sehen geblendet zu werden.
Sie mußte etwas tun, um ihn aufzuhalten. Sie wollte aus der Nische stürmen, aber jemand stellte sich ihr in den Weg. »Cilean? « flüsterte sie ungläubig.
»Ja«, erwiderte Cilean. »Können wir reden? «
Jura hörte den Lärm, den die Menge draußen machte. Es drängte sie, sich unters Volk zu mischen. Vielleicht konnte sie die Leute daran hindern, Rowan zu folgen.
»Haßt du ihn immer noch? « fragte Cilean leise.
Juras Wut schwelte noch zu nah unter der Oberfläche. »Ich dachte, du würdest glauben, daß ich ihn für mich haben wollte und deshalb sogar meine Freundin betrogen habe. «
»Ich hatte unrecht«, sagte Cilean. »Ich war eifersüchtig. «
Der Unterton in Cileans Stimme ließ Jura ruhig werden. »Eifersüchtig? Du liebst ihn? «
»Ja«, gab Cilean zu. »Es war Liebe auf den ersten Blick. Er hat ein gutes Herz, Jura. Er ist freundlich und klug. Jetzt riskiert er alles, um die Stämme zu vereinigen. Er weiß, daß er dabei getötet werden kann. «
»Und dabei würde er ein paar hundert Irial mitreißen«, erwiderte Jura. »Seine edle Gesinnung wird kein Leben retten, wenn Brita sie angreift. «
»Vielleicht tut sie es nicht. Vielleicht hilft Gott König Rowan, so wie er es getan hat, als Rowan das Tor öffne te. «
»Wie bitte? « stieß Jura hervor. »Gott beschützt keine schlechten Herrscher! Er vernichtet sie und ihre Gefolgsleute. Cilean, du kannst doch nicht ganz und gar deinen Verstand verloren haben. Du glaubst doch nicht daran, daß Brita dreihundert Irial erlauben wird, ihre Grenzen zu überschreiten! Sie wird sie mit einem Pfeilhagel begrüßen! «
»Ich reite mit ihm«, versicherte Cilean. »Ich habe mit angehört, daß er vorhat, zuerst allein vor Brita zu treten. Ich gehe mit ihm. Du weißt doch, daß ich drei Jahre lang Gefangene der Vatell war. Ich kenne einen Weg durch den Wald, der zu Britas Stadt führt. «
»Du wirst dabei umkommen«, flüsterte Jura.
»Ich muß die Gelegenheit wahrnehmen. Das, was er vorhat, ist richtig. Und er — merk dir meine Worte, Jura -, er wird versuchen, es durchzuführen, ob ich ihn nun begleite oder nicht. Du hättest ihn auf der Reise nach Escalon sehen sollen. Er ritt zu diesen drei Zernajungen, als ob Gott ihm eine Tarnkappe verliehen hätte. Und er ist ohne eine Wache Brocain gegenübergetreten. Er verlangte, daß Brocain ihm seinen Sohn überließ. Und Brocain gehorchte! Das hättest du wirklich erleben sollen, Jura! «
Jura schüttelte den Kopf. »Ich sehe ihn jeden Tag, und ich bemerke auch, daß er keinen Versuch unternimmt, unsere Gebräuche zu lernen. Dabei besteht er aber darauf, daß wir seine Sitten annehmen. «
»Das ist nicht wahr«, entgegnete Cilean. »Er kann unsere Sprache sprechen. Er kennt unsere Geschichte. Er trägt unsere Kleidung und —«
»Er zieht Kleider an,
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