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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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denen Beatrix schlief, ragten die schneebedeckten Gipfel der Jokalaylau-Berge auf. Sie waren hoch, gewaltig und majestätisch; jenseits davon zeichneten sich noch höhere, noch gewaltigere Berge ab, die höchsten Bereiche von Wolken verschleiert. Sie seien jetzt fast da, meinte der Junge, und diesmal versprach er nicht zuviel. Gleich darauf bemerkte Pie die Silhouette einer Hütte, auf deren Veranda eine kleine Laterne leuchtete.
    »He, Armer Tasko!« rief Efreet. »Ich bringe dir einen Besucher.«
    Er bekam keine Antwort, und als sie die Hütte erreichten, 294

    stellten sie dort fest: Nichts bewegte sich in dem Wohnraum, nur die Flamme in der Lampe flackerte. Die Tür stand offen, und Nahrungsmittel lagen auf dem Tisch, doch vom Armen Tasko fehlte jede Spur. Efreet suchte nach ihm und ließ Pie allein auf der Veranda. Hinter der Hütte festgebundene Tiere schnaubten und schnauften; die Atmosphäre des Unbehagens nahm fast greifbare Formen an.
    Einige Sekunden später kehrte der Junge zurück und sagte:
    »Ich habe ihn am Hang gesehen! Er ist fast ganz oben.«
    »Was macht er dort?« fragte Pie.
    »Vielleicht beobachtet er den Himmel. Wir folgen ihm. Er hat bestimmt nichts dagegen.«
    Sie setzten den Aufstieg fort und weckten schon bald die Aufmerksamkeit der Gestalt unweit des Gipfels. »Wer ist da?«
    rief sie.
    »Ich bin's, Efreet, Herr Tasko. Und ich habe einen Freund mitgebracht.«
    »Deine Stimme ist zu laut, Junge«, erwiderte der Mann.
    »Sprich leiser, in Ordnung?«
    »Er möchte, daß wir leise sind«, flüsterte Efreet.
    »Ich verstehe.«
    Kalter Wind blies in dieser Höhe. Pie fröstelte und dachte daran, daß weder Gentle noch er selbst geeignete Kleidung für die ihnen bevorstehende Reise hatten. Coaxial schien oft hier oben zu sein, denn er trug eine Pelzjacke und einen Hut mit Ohrenschützern. Ganz offensichtlich stammte er nicht aus dieser Gegend: Drei Männer aus dem Dorf wären nötig gewesen, um es mit Taskos Masse und Kraft aufzunehmen.
    Außerdem schien seine Haut fast ebenso dunkel zu sein wie die Pies.
    »Das ist mein Freund Pie'oh'pah«, raunte ihm Efreet zu, als sie Seite an Seite standen.
    »Mystif?« fragte Tasko sofort.
    »Ja.«
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    »Oh... Du bist also fremd hier?«
    »Ja.«
    »Kommst du aus Yzordderrex?«
    »Nein.«
    »Wenigstens etwas. Aber so viele Fremde, und alle in der gleichen Nacht... Was soll man davon halten?«
    »Gibt es noch andere?« fragte Efreet.
    »Horch...« Taskos Blick glitt übers Tal zu den dunklen Hängen jenseits davon. »Hörst du die Maschinen?«
    »Nein, nur den Wind.«
    Coaxial drehte das Gesicht des Jungen in die entsprechende Richtung.
    »Und jetzt lausch!« sagte er streng.
    Der Wind brachte ein dumpfes Grollen mit sich, das von einem fernen Gewitter stammen mochte - wenn es nicht so gleichmäßig gewesen wäre. Der Ursprung dieser Geräusche war bestimmt nicht das Dorf, und es erschien auch unwahrscheinlich, daß in den nahen Hügeln Erd- oder Bergarbeiten stattfanden. Nein, dieses Brummen stammte von Maschinen, die sich in der Nacht bewegten.
    »Sie nähern sich dem Tal.«
    Efreet juchzte, und Tasko preßte ihm die Hand auf den Mund.
    »Warum bist du so froh, Kind?« fragte er. »Hast du nie Furcht kennengelernt? Nein, wahrscheinlich nicht. Nun, jetzt bietet sich Gelegenheit dazu.« Efreet versuchte, sich aus dem festen Griff zu befreien, aber Tasko hielt ihn auch weiterhin fest. »Jene Maschinen kommen aus Yzordderrex. Der Autokrat schickt sie. Verstehst du?«
    Er knurrte verärgert und ließ den Jungen los. Efreet wich sofort zurück, als fürchtete er sich plötzlich vor dem Mann. Er war jetzt ebenso nervös wie Tasko, dessen Unruhe sich jedoch auf das Grollen bezog. Er sammelte Speichel und spuckte in die Richtung, aus der die Geräusche erklangen.
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    »Vielleicht kommen die Leute nicht hierher«, sagte er.
    »Vielleicht wählen sie ein anderes Tal. Vielleicht bleiben wir verschont.« Tasko spuckte erneut aus. »Ach, was soll's? Es hat keinen Sinn, hier oben zu warten. Wenn sie hierherkommen, so können wir nichts daran ändern.« Er wandte sich an Efreet.
    »Tut mir leid, daß ich grob mit dir gewesen bin, Junge. Weißt du, ich habe diese Maschinen schon einmal gehört. Damals, als mein Volk starb. Glaub mir: Es wäre falsch, sich über ihre Ankunft zu freuen. Verstehst du?«
    »Ja«, erwiderte Efreet. Pie bezweifelte jedoch, ob diese Antwort der Wahrheit entsprach. Die Vorstellung, jene brummenden Dinge aus der Nähe zu sehen, erschreckte den

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