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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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also?«
    »Ja, gern.«
    Oscar lächelte erfreut. »Dadurch fühle ich mich sehr geehrt.
    Bitte entschuldige mich für einen Augenblick.«
    Er schaltete wieder das Licht im Bad ein, betrat es und schloß die Tür hinter sich. Judith streckte sich auf dem Bett aus und dachte über die jüngsten Ereignisse nach. Alles erschien ihr ausgesprochen sonderbar - und dadurch angemessen.
    Immerhin hatte das Ganze auf eine sehr bizarre Weise begonnen: mit Liebe, die den Tod bringen wollte. Und jetzt kam noch mehr Sonderbares hinzu. Judith lag im Bett eines Mannes, dessen Körper alles andere als attraktiv war und dessen Gewicht sie doch auf sich wünschte. Seine Hände waren zum Brudermord fähig, aber sie schenkten eine Erregung, die Jude in dieser Intensität noch nie zuvor gespürt hatte. Er wandelte in mehr Welten als ein opiumsüchtiger 401

    Dichter, aber die Liebe brachte ihn in Verlegenheit. Er war ein Gigant - aber er fürchtete sich. Sie kuschelte sich zwischen seine Daunenkissen und wartete darauf, daß er zurückkehrte und ihr von der Liebe erzählte. Es dauerte eine Weile, bis er das Bad verließ und neben ihr unter die Decke kroch. Diesmal hatte ihre Fantasie die Wirklichkeit vorweggenommen: Er sagte tatsächlich, daß er sie lieben würde, aber vorher schaltete er das Licht aus, und deshalb blieben seine Augen im Dunkeln verborgen.
    Judith schlief tief und fest. Als sie schließlich erwachte, schien sie noch immer zu schlafen; Dunkelheit umgab sie, und sie spürte Wohlbehagen. Was sich ganz einfach erklären ließ: die Vorhänge waren noch immer zugezogen - eine schmale Lücke zwischen ihnen verriet, daß die Nacht erst noch dem Tag weichen mußte -, und Godolphin lag hinter ihr, befand sich in ihr. Er hatte sich mich diskretem Geschick in sie hineingeschoben, und sie genoß das unerwartete intensive Vergnügen. Oscar hauchte ihr Küsse auf Nacken und Schultern, ganz behutsam, weil er glaubte, sie schliefe noch immer. Mit einem Seufzen gab sie ihm zu verstehen, daß sie inzwischen erwacht war. Er hielt inne, und Judith preßte ihm den Hintern entgegen, gab ihm damit zu verstehen, daß er erneut zustoßen solle. Sie nahm ihn ganz in sich auf, zog seine Hand zu ihrer Brust und hielt sie dort fest. Vor einigen Stunden war er schon einmal gekommen, und deshalb hatte er es jetzt nicht so eilig, ließ sich mehr Zeit und wurde dadurch zu einem fast perfekten Liebhaber.
    Jude nutzte die Finsternis nicht, um sich einen anderen Partner vorzustellen. Jener Mann, der das Gesicht in ihr Haar grub, dessen Lippen sie an der Schulter spürte, war ganz anders als ein Mystif, der zum fleischlichen Spiegelbild imaginärer Ideale werden konnte. Es handelte sich um Oscar Godolphin, korpulent, der Penis ohne Vorhaut. Nein, die Veränderung erfaßte sie selbst. Vor ihrem inneren Auge verwandelte sich 402

    Judith allmählich in ein Symbol: Eine Linie ging von ihrem Zentrum aus, in das Oscar hineinpumpte, führte durch den Bauch zu ihren Brüsten, teilte sich am Nabel und formte eine komplexe Spirale unterm Schädeldach. In Gedanken fügte sie weitere Einzelheiten hinzu, umgab die Darstellung mit einem Kreis, bis die Vision hinter den Lidern brannte und loderte.
    Daraufhin nahm ihr Entzücken zu: Sie war eine Abstraktion in Godolphins Armen - und imstande, die Freuden des Fleisches zu genießen. Konnte sie sich mehr wünschen?
    Er bat darum, die Position zu verändern, sagte nur: »Die Wunde...«
    Judith rollte sich herum, ruhte auf Händen und Knien. Für einige unangenehme Sekunden rutschte Oscar aus ihr heraus, und dann kehrte er in sie zurück. Bald stieß er heftiger und schneller zu. Seine Finger massierten ihr Geschlecht; seine Stimme erklang in ihrem Kopf - und beides brachte Ekstase.
    Das Symbol strahlte heller, gleißte und schimmerte. Bald blieb Jude nicht mehr stumm, murmelte zunächst ja und ja und begann damit, ihm Hinweise zu geben, die ihn noch mehr erregten. Ein blendender Glanz ging von dem Symbol in Judiths Bewußtsein aus, verbrannte alle anderen Gedanken, bis sie vergaß, wo und wer sie war. Die Erinnerungen an andere sexuelle Erfahrungen verblaßten zu Bedeutungslosigkeit, zerfielen in diesem inneren Feuer zu Asche.
    Sie merkte erst, daß er den Höhepunkt erreicht hatte, als er sich zurückzog, und rasch griff sie nach hinten, damit er noch ein wenig in ihr bliebe. Er erfüllte ihr diesen Wunsch. Sie fühlte, wie er in ihr weich wurde, und dann erst gab sie den Gefangenen frei. Oscar schob sich zur Seite und

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