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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Höllenqualen litten, bevor er sie umbrachte.
    Die Passage wand sich wie eine hohle Schlange hin und her; an manchen Stellen schrumpfte sie auf eine Breite von nur noch einem Meter. Gentles Ahnung, daß er sich den Verfolgten näherte, fand eine Bestätigung, als er das vergnügte Kichern des Jugendlichen hörte. Er ging langsamer, durch Abfälle, die ihm gelegentlich bis zum Knie reichten, und nach einer Weile bemerkte er Licht. Der Durchgang endete einige Meter vor ihm, und dort hockte der Nullianac, mit dem Rücken an der Wand. Das matte Glühen stammte nicht von einer Lampe oder einem Feuer. Es glomm vielmehr im Kopf des Wesens: Energie waberte zwischen den beiden betenden Händen.
    In diesem Schein sah Zacharias das Mädchen - direkt vor 612

    dem Entführer lag es auf dem Boden. Huzzah rührte sich nicht, hatte die Augen geschlossen und schien ihre Umwelt gar nicht wahrzunehmen, ein Umstand, der Gentle mit Dankbarkeit erfüllte. Der Nullianac hatte den Unterleib des Kindes entblößt und betastete ihn mit langen, blassen Fingern. Sein Begleiter, der quiekende Jugendliche, stand etwas abseits, die Waffe in der einen Hand, sein steifes Glied in der anderen. Ab und zu zielte er auf Huzzahs Kopf, um dann erneut zu glucksen.
    Zacharias fühlte sich versucht, sofort ein Pneuma einzusetzen, wußte aber auch, daß er noch immer recht ungeschickt damit umging und riskiert hätte, Huzzah zu verletzen. Also schlich er näher. Eine weitere Explosion höher am Hang schleuderte in diesem Moment grelles Licht durch die Nacht und verdrängte die Dunkelheit. Plötzlich konnte Gentle ganz deutlich sehen, was der Nullianac mit dem Mädchen anstellte, und tief in ihm verkrampfte sich etwas, als Huzzah keuchte. Unmittelbar darauf kroch die Finsternis zurück, und allein das Glühen zwischen den Kopfhälften des Nullianac blieb. Der Jugendliche schwieg nun; er starrte wie gebannt auf das Leid der Hilflosen.
    Das Geschöpf an der Wand sah auf und murmelte einige Worte, woraufhin der Junge widerstrebend zurückwich. Irgend etwas bahnte sich an. Das Wabern im Kopf des Nullianac glühte heller, als stünde nun eine Entladung bevor. Gentle holte Luft und begriff, daß er ein Risiko eingehen mußte, um Huzzah zu retten. Der Jugendliche hörte das von ihm verursachte leise Zischen, drehte sich um und spähte in die Finsternis. Wie es der Zufall wollte, donnerte genau in diesem Augenblick eine neuerliche Explosion, und ihr Licht verriet Zacharias.
    Der junge Mann schoß, aber Überraschung oder Erregung hinderte ihn daran, das Ziel zu treffen. Die Kugeln sausten an Gentle vorbei. Zacharias gab ihm keine zweite Chance, reservierte das Pneuma für den Nullianac und sprang dem Jugendlichen entgegen. Er schlug ihm die Waffe aus der Hand und brachte ihn dann mit einem wuchtigen Tritt zu Fall. Sein 613

    Gegner prallte dicht neben dem Revolver, den er benutzt hatte, zu Boden, doch bevor er danach greifen konnte, krachte Gentles Stiefel auf die ausgestreckten Finger herab und entlockte dem Jungen ein Quieken ganz anderer Art.
    Zacharias drehte sich um und sah, wie der Nullianac den gräßlichen Schädel hob, in dem die Energie immer lauter knisterte. Seine Faust flog zum Mund, um seinen Atem einzufangen, und er ließ das Pneuma gerade los, als ihn der Jugendliche am Bein packte. Der Todesbote sauste aus Gentles Hand, traf jedoch nicht den Kopf des Nullianac, sondern nur seine Seite, und verletzte ihn nur, anstatt zu töten. Der Junge zerrte einmal mehr am Bein, und diesmal verlor Zacharias das Gleichgewicht; er stürzte in den Unrat. Schmerz entflammte dort, wo ihn zuvor die Spitzhacke der Oethac am Rücken verwundet hatte. Die heiße Pein verursachte buntes Wogen vor seinen Augen, und als er wieder sehen konnte, stand der Jugendliche vor ihm und suchte etwas in dem Arsenal seines Gürtels. Gentle blickte zum Nullianac: Die Gestalt lehnte an der Wand, neigte den Kopf nach hinten und spuckte Pfeile aus Feuer. Nur wenig Licht ging von ihnen aus, aber es genügte Zacharias, um den Revolver auf dem Boden zu erkennen.
    Sofort nahm er ihn und zielte, bevor der Junge Zeit fand, eine andere Waffe zu ziehen. Er richtete das Schießeisen nicht auf Kopf oder Herz des Gegners, statt dessen hielt er es so, daß der Lauf zwischen die Beine zeigte. Das dort befindliche Ziel war kleiner geworden, aber für den jungen Mann schien es sehr wichtig zu sein. Er erstarrte plötzlich.
    »Bitte nicht«, brachte er hervor.
    »Der Gürtel...«, sagte Gentle und stand auf,

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