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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Mädchen?«
    »Tot«, antwortete Gentle. »Ich will wissen, wo sich Pie befindet.«
    »Nicht hier.«
    »Wo?«
    »Der Mystif ist zum Palast unterwegs«, erwiderte der Mann.
    »Warum?«
    »So lautete das Urteil.«
    »Er sollte einfach nur zum Palast gehen?« fragte Gentle und trat einen Schritt auf den Eurhetemec zu. »Es steckt bestimmt noch mehr dahinter.«
    Zwar wußte der Mann, daß er sich mit dem Seidenschwert gut zur Wehr setzen konnte, aber er spürte jetzt eine Macht, der er kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Daraufhin beschloß er, eine klare Antwort zu geben.
    »Der Mystif wurde dazu verurteilt, den Autokraten zu töten«, sagte er.
    »Brach er allein auf?«
    »Nein. Er nahm einige Überlebende unseres Volkes mit.
    Andere blieben hier, um das Kesparat zu verteidigen.«
    »Wann zog die Gruppe los?« fragte Zacharias.
    »Vor kurzer Zeit. Aber geben Sie sich keinen Illusionen hin.
    Es gelingt Ihnen sicher nicht, in den Palast einzudringen. Und auch der Mystif wird scheitern. Es ist reiner Selbstmord.«
    Gentle wandte sich wortlos ab und lief in Richtung Mauer, überließ es dem Mann, über blühende Bäume und leere Straßen zu wachen. Als er sich dem Tor näherte, bemerkte er zwei Personen, die vor der Pforte standen und ihn anblickten. Ein Mann und eine Frau, beide mit nacktem Oberkörper. An den Hälsen sah er aus drei Streifen bestehende Tätowierungen, die ihn an den Zwischenfall am Hafen erinnerten - es handelte sich um Mangler. Als die Distanz zu ihnen schrumpfte, begrüßten 640

    sie ihn, indem sie die Handflächen aneinanderpreßten und sich verneigten. Die Frau überragte den Mann um fast einen Meter, und ihr Körper war mehr als nur beeindruckend: Der Kopf saß auf einem Hals, der breiter zu sein schien als der Schädel; an Armen und Bauch zeichneten sich so enorme Muskelstränge ab, daß jedes Zucken einem Spektakel gleichkam.
    »Ich habe ja gesagt, daß wir ihn hier finden«, äußerte sie lauthals.
    »Ich weiß nicht, was Sie wollen«, erwiderte Gentle. »Sie verwechseln mich mit jemandem.«
    »Sie sind dochJohn Furie Zacharias, oder?«
    »Ja.«
    »Gentle genannt?«
    »Ja. Aber...«
    »Dann müssen Sie uns begleiten. Bitte. Pater Athanasius hat uns geschickt, um Sie zu holen. Wir wissen, was in der Geilen Gasse passiert ist - ein deutlicher Hinweis auf Sie.« Die Frau zeigte auf sich selbst. »Ich bin Nikaetomaas, und das ist Floccus Dado. Seit der Ankunft von Estabrook warten wir auf Sie.«
    »Estabrook?« wiederholte Gentle. An jenen Mann hatte er seit vielen Monaten nicht mehr gedacht. »Woher kennen Sie ihn?«
    »Wir fanden ihn auf der Straße. Und hielten ihn für den Richtigen. Aber wir irrten uns - er wußte nichts.«
    »Und Sie glauben, ich weiß mehr?« brachte Gentle hervor.
    »Himmel, ich weiß nichts. Ich habe überhaupt keine Ahnung.
    Nur eines ist mir klar: Sie sind bei mir an den Falschen geraten.«
    »Pater Athanasius erwähnte so etwas. Er meinte, Sie wüßten nichts von...«
    »Er hat recht.«
    »Aber Sie haben den Mystif geheiratet.«
    »Na und?« konterte Gentle. »Ich liebe ihn, und es ist mir 641

    völlig gleich, wer davon erfährt.«
    »Ja«, sagte Nikaetomaas, und es klang ganz und gar nicht überrascht. »Dadurch haben wir Sie gefunden.«
    »Wir wußten, daß der Mystif diesen Ort aufsuchen würde«, erklärte Floccus. »Und deshalb konnten wir sicher sein, Sie hier anzutreffen.«
    »Inzwischen ist Pie'oh'pah schon wieder unterwegs«, sagte Zacharias. »Zum Palast...«
    »Zum Palast?« Nikaetomaas drehte den Kopf und sah zu den hohen Wällen und Türmen empor. »Und Sie wollen ihm folgen?«
    »Ja.«
    »Ich begleite Sie. Dado, du kehrst zu Athanasius zurück. Sag ihm, wen wir gefunden haben und wohin wir gehen.«
    »Mir liegt nichts daran, von jemandem begleitet zu werden«, brummte Gentle. »Ich vertraue nicht einmal mir selbst.«
    »Wie wollen Sie ganz allein in den Palast vorstoßen?«
    entgegnete Nikaetomaas. »Ich kenne die Tore. Und die Gärten.«
    Zacharias überlegte. Ein Teil von ihm wollte allein los, wollte als zorniger Einzelgänger und Bote eines Entsetzens, wie er es in der Geilen Gasse verursacht hatte, voranstürmen.
    Doch er wußte nichts von der inneren Struktur des Palastes und lief dadurch Gefahr, sich zu verirren, wertvolle Zeit zu verlieren - Minuten, die über Leben und Tod des Mystifs entscheiden mochten. Also nickte er, und am Tor trennten sie sich: Floccus Dado kehrte zu Pater Athanasius zurück; Gentle und Nikaetomaas begannen mit dem Aufstieg

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