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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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tot«, sagte Pie. »Der Traum existiert nach wie vor, Culus'su'erai.
    Ebenso wie mein Maestro.«
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    Quaisoir wartete hinter den Schleiern, als Seidux hereinkam.
    Die Fenster waren geöffnet, und deutlich hörte man den Lärm der Schlacht - Geräusche, die auf einen Soldaten wie Seidux aphrodisisch wirkten. Er spähte durch die hauchdünnen Vorhänge und versuchte, die Gestalt dahinter zu erkennen. War die Frau nackt? So hatte es den Anschein...
    »Ich muß mich entschuldigen«, sagte Quaisoir.
    »Das ist nicht nötig.«
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    »O doch. Sie haben Ihre Pflicht erfüllt, als Sie mich beobachteten.« Die Gemahlin des Autokraten zögerte kurz, bevor sie in einem bedeutungsvollen Tonfall hinzufügte:
    »Außerdem mag ich es, beobachtet zu werden...«
    »Tatsächlich?« murmelte Seidux.
    »Ja. Vorausgesetzt, mein Publikum weiß zu schätzen, was es sieht.«
    »Daran kann in meinem Fall kein Zweifel bestehen«, erwiderte der Soldat. Er ließ möglichst unauffällig die Zigarette fallen und trat sie mit dem Stiefel aus.
    »Dann schließ die Tür«, sagte Quaisoir und duzte den Mann jetzt. »Falls wir zu laut werden. Übrigens: Vielleicht solltest du die Wächter fortschicken.«
    Seidux kam der Aufforderung gern nach. Als er zu den Schleiern zurückkehrte, kniete die Frau auf dem Bett, die eine Hand zwischen den Beinen. Ja: Sie war nackt. Wenn sie sich langsam von einer Seite zur anderen wandte, gerieten auch die dünnen Vorhänge in Bewegung, klebten kurz am öligen Glanz ihrer Haut fest. Der Soldat sah, wie ihre Brüste der Bewegung folgten, als sie die Arme hob, ihn einlud, sie dort zu küssen. Er trachtete danach, die Schleier beiseite zu ziehen, aber es waren zu viele, und er fand keine Lücke zwischen ihnen. Deshalb ging er einfach weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, während die Seide vor ihm sich verdichtete.
    Erneut tastete Quaisoir mit der einen Hand zwischen die Beine, und Seidux stöhnte erwartungsvoll, als er sich vorstellte, diese Hand gleich mit der seinen zu ersetzen. Er glaubte, etwas Dickes zwischen ihren Fingern zu erkennen: ein Objekt, mit dem sie sich wohl selbst befriedigt und auf ihn vorbereitet hatte, mit dem sie sich öffnete, um ihn ganz aufzunehmen. Eine Frau, die an alles dachte, nicht wahr? Jetzt reichte sie ihm den Gegenstand sogar, wie um ihre kleine Sünde zu beichten.
    Vielleicht glaubte sie, daß er daran ihre Wärme und Feuchtigkeit spüren könne. Durch die Schleier streckte sie ihm 633

    das Ding entgegen, während er sich ihr weiterhin näherte und dabei Worte flüstere, die Frauen gern hören.
    Irgend etwas riß, und Seidux vermutete, daß Quaisoir die Schleier zerfetzte, weil sie es nicht mehr abwarten konnte, sich endlich mit ihm zu vereinen. Er zerrte ebenfalls an den Vorhängen - und spürte plötzlichen Schmerz im Bauch.
    Überrascht senkte er den Kopf, starrte durch die wirre Stoffmasse und sah einen roten Fleck, der darin wuchs. Er stöhnte und versuchte, sich zu befreien, dabei bemerkte er das Objekt, das Quaisoir eben noch in der Hand gehalten hatte. Es steckte jetzt in seinem Leib und war nicht dazu bestimmt, Freude zu schenken. Die Gemahlin des Autokraten zog die Klinge aus der Wunde und stieß erneut zu, dann noch einmal, bohrte ihm das Messer ins Herz, bevor er nach hinten fiel, in Schleier gehüllt, die nun zu einem Leichentuch wurden.
    Judith stand im Obergeschoß von ›Sünder‹ Hebberts Haus am Fenster und beobachtete, wie überall in der Stadt Flammen loderten. Sie schauderte, blickte auf ihre Hände hinab und sah Blut. Die Vision dauerte nur einen Sekundenbruchteil, doch ihre Bedeutung wurde sofort klar: Quaisoir hatte das geplante Verbrechen verübt.
    »Ein faszinierender Anblick, nicht wahr?« erklang Dowds Stimme. Jude drehte sich verwirrt und desorientiert um. Hatte er das Blut ebenfalls gesehen? Nein, er meinte die brennende Stadt.
    »Ja«, bestätigte sie.
    Er trat neben sie ans Glas der Fensterscheibe, die leise klirrte, wenn draußen Granaten und Artilleriegeschosse explodierten. »›Sünder‹ Hebbert und seine Tochter sind fast soweit. Sie brechen gleich auf, und ich schlage vor, daß wir ihrem Beispiel folgen. Ich fühle mich schon viel besser.«
    Dowd hatte sich tatsächlich erholt, viel schneller als ein Mensch. Von den Wunden in seinem Gesicht war fast nichts mehr zu sehen.
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    »Wohin gehen wir?« fragte Judith.
    »Zur anderen Seite der Stadt«, erwiderte Oscars Assistent.
    »Wo ich seinerzeit eine Bühne sah. Hebbert meinte, das Theater

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