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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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des Bonbons aus. »Autokrat?«
    wiederholte er.
    Das Lächeln wich von den Lippen des anderen Mannes. »Du hattest deinen Spaß, Phantom. Verschwinde jetzt.« Er schloß die Augen. »Bring dich unter Kontrolle«, flüsterte er. »Es liegt nur am Kreauchee. Es geschieht nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal.«
    Gentle verstand. »Du glaubst zu träumen, wie?« fragte er.
    Der Autokrat öffnete die Augen, und ganz offensichtlich ärgerte es ihn, daß die Halluzination noch immer existierte.
    709

    »Ich habe dir doch gesagt, daß du...«, begann er.
    »Was hat es mit ›Kreauchee‹ auf sich? Ist es eine Art Alkohol? Oder vielleicht Rauschgift? Hältst du mich für einen Horrortrip? Nun, da irrst du dich.«
    Gentle schritt seinem Ebenbild entgegen, das daraufhin erschrocken zurückwich.
    »Das ist unmöglich«, sagte der andere Mann. Nicht nur Ungläubigkeit erklang in seiner Stimme, sondern auch ein Unbehagen, das an Furcht grenzte. »Du kannst nicht hier sein.
    Nicht nach so vielen Jahren.«
    »Nur ein Narr leugnet die Wirklichkeit«, entgegnete Gentle.
    »Ich bin hier. Und glaub mir: Meine Verwirrung ist gewiß nicht kleiner als deine.«
    Der Autokrat musterte ihn, bewegte dabei den Kopf von rechts nach links und schien nach einem Blickwinkel zu suchen, der Gentle als Trugbild entlarvte. Schließlich gab er es auf und begnügte sich damit, Zacharias einfach nur anzustarren, während der Schreck tiefere Furchen in seiner Stirn formte.
    »Woher kommst du?« fragte er.
    »Ich glaube, das weißt du«, sagte Gentle.
    »Aus der Fünften?«
    »Ja.«
    »Und du bist hier, um mich zu stürzen, nicht wahr? Warum wird mir das erst jetzt klar? Du hast die Revolution angezettelt!
    Du bist dort draußen auf den Straßen gewesen, um die Saat der Rebellion auszubringen! Kein Wunder, daß meine Gegenmaßnahmen ohne Erfolg blieben. Immer wieder habe ich mich gefragt: Wer steckt dahinter? Wer schmiedet Pläne gegen mich? Die zahllosen Hinrichtungen und Säuberungsaktionen nützten nichts - nie gelang es mir, bis zur Wurzel der Unruhen vorzudringen, jene Person zu finden, die ebenso schlau ist wie ich selbst. Des Nachts lag ich wach im Bett und überlegte: Wer ist es? Wer? Die Liste der Verdächtigen wurde immer länger.
    710

    Aber nie hätte ich es für möglich gehalten, daß du der Gegner bist, Maestro. Nein, der Name Sartori kam mir nicht in den Sinn.«
    Es war schon erstaunlich genug, vom Autokraten als Maestro bezeichnet zu werden, aber der Name bewirkte auch profunden Aufruhr in Gentle. Hinter seiner Stirn schrillte und rauschte es so laut wie auf dem Bahnsteig von Mai-Ke, und ein heftiger Krampf preßte ihm den Mageninhalt nach oben und aus dem Mund. Er streckte die eine Hand aus, um sich am Tisch abzustützen, verfehlte jedoch die Kante und fiel zu Boden, in die Lache aus Erbrochenem. Dort wälzte er sich hin und her, während er versuchte, das Chaos aus dem Kopf zu vertreiben. Es gelang ihm nur, das Schrillen in Worte zu verwandeln.
    Sartori! Er war Sartori! Er verschwendete keinen Atem damit, diesen Namen in Frage zu stellen. Die drei Silben gehörten ihm, das wußte er nun. Ein Name, der Welten bedeutete - Welten, die noch verwirrender waren als die Wunder der Domänen. Sie öffneten sich vor ihm wie vom Wind aufgerissene Fenster, die nicht wieder geschlossen werden konnten.
    Aus hundert Erinnerungen flüsterte der Name. Eine Frau seufzte und bat ihn ins zerwühlte Bett zurück. Ein Priester nannte ihn in der Kirche, wie einen Fluch, der Verdammnis brachte. Ein Spieler hauchte ihn in die gewölbte Hand, um die Würfel zu segnen. Verurteilte flüsterten ihn im Gebet. Zecher stießen darauf an; Betrunkene grölten ihn. Oh, er war berühmt gewesen! Beim Bartholomäusfest gab es Schauspielergruppen, die Geld damit verdienten, indem sie sein Leben als Farce erzählten. Ein Bordell in Bloomsbury prahlte damit, eine frühere Nonne sei durch seine Berührung zur Nymphomanin geworden; angeblich hatte sie Sartoris Beschwörungen wiederholt, während sie von ihm gebumst wurde. Er war ein Musterbeispiel für alles Sagenhafte und Verbotene: eine 711

    Bedrohung für redliche Männer, für ihre Frauen ein geheimes Laster. Was die Kinder betraf... Die Kinder folgten dem Pfarreidiener an seinem Haus vorbei und sangen: Maestro Sartori,
    möchte ein bißchen Glorie.
    Katzen liebt er sehr,
    Hunde sogar noch mehr,
    Frauen verwandelt er in Frösche klein.
    Hüte fertigt er an, so fein,
    aus den Schatten,
    huschender

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