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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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beschrieb, was er noch mit der Frau unter sich anzustellen gedachte. Er bezeichnete sie als seine Puppe und Hure, als Gemahlin und Göttin. Er verkündete seine Absicht, jede Öffnung ihres Körpers zu füllen, sie zu besitzen und zu verehren, ihr Innerstes nach außen zu stülpen. Diese Hinweise erinnerten Jude erneut an die Bilder in Estabrooks Buch, und die Reminiszenzen sorgten dafür, daß ihre erogenen Zonen anschwollen, als sei jede von ihnen eine Knospe, die sich öffnen wollte. Die Blütenblätter bestanden aus Ekstase, und der Duft manifestierte sich in Form der Schreie, die ihr von den Lippen wehten. Sie stimulierten seine Leidenschaft, erzeugten einen neuen Wortschwall. In der einen Sekunde wollte er ihr Gefangener sein, allen ihren Launen ausgeliefert, wollte sich von ihren Ausscheidungen ernähren, die Milch ihrer Brüste trinken. In der nächsten war sie weniger wert als jene Exkremente, die er eben als Manna gepriesen hatte, und er nannte sich selbst ihre einzige Überlebenschance. Nur sein Schwanz bot ihr Aussicht auf Wiederauferstehung. Er versprach, sie mit dem feurigen Saft des Lebens zu füllen, soviel davon in sie hineinzupumpen, daß der Druck ihr die Augen aus dem Kopf triebe, daß sie darin ertränke. Gentle prophezeite noch viel mehr, aber der Rest verlor sich in Judiths lauter werdenden Schreien. Sie kniff die Augen zu, ignorierte die vermischten Zimmer, hier ein Raum mit seidenen Schleiern, dort eine von flackernden Flammen erhellte 757

    Kammer. Im Fokus ihres Selbst entstanden geometrische Muster, die pure Wonne bedeuteten, sich entfalteten wie das Transfersymbol, um dann zu einer neuen Form zu finden, die noch mehr Freude und Glück bescherte.
    Als sie den ersten Gipfel eines metaphorischen Gebirges erreichte, das weiter vorn bis zu stratosphärischen Höhen emporragte... spürte sie plötzlich, wie der Mann erbebte und seine Hüften verharrten. Zuerst wollte sie nicht glauben, daß er fertig war. Immerhin erlebte sie dies alles in einem Traum, und ihre Fantasie ermöglichte Dinge, die kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun hatten: Ausdauer und Unerschöpflichkeit selbst dann, wenn ein Liebhaber aus Fleisch und Blut bereits aufs Laken gesunken wäre, um zu verschnaufen. Er durfte sie jetzt nicht im Stich lassen! Jude öffnete die Augen - das Zimmer mit dem Feuer war ebenso verschwunden wie die Glut in Gentles Pupillen. Er hatte sich bereits aus ihr zurückgezogen, und zwischen den Beinen spürte sie nur noch seine Finger, die nach der dort vergossenen Flüssigkeit tasteten. Ein benommener Blick traf sie.
    »Du bringst mich fast in Versuchung, hier bei dir zu bleiben«, sagte er. »Aber es wartet eine Menge Arbeit auf mich.«
    Arbeit? Welche Pflichten gab es für Traumpersonen, abgesehen davon, den Befehlen des Träumenden zu gehorchen, seinem Willen zu genügen?
    »Geh nicht«, sagte sie.
    »Ich bin fertig«, erwiderte er.
    Er kroch vom Bett. Judith wollte ihn festhalten, aber selbst im Schlaf erlag sie der vom Kissen geschaffenen Mattigkeit.
    Der Mann glitt durch die Schleier fort und gab ihr keine Gelegenheit, ihn noch einmal zu berühren. Langsam sank sie zurück, folgte ihrer Trägheit und beobachtete, wie die Gestalt weiter von ihr fortwich, wie sich ihre Konturen zwischen den hauchdünnen Vorhängen verloren.
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    »Bleib so schön, wie du jetzt bist«, erklang Gentles Stimme.
    »Vielleicht kehre ich zu dir zurück, wenn ich ein neues Yzordderrex erbaut habe.«
    Judith erkannte überhaupt keinen Sinn in diesen Worten, doch sie verzichtete auf die Mühe, darüber nachzudenken. Sie entstammten ihrer eigenen Imagination, und ihnen fehlte ein konkreter Bedeutungsinhalt. Der Mann schien an der Tür zu verharren, um einen letzten Blick in Richtung Bett zu werfen -
    dann verschwand er. Judes Traum gab ihn auf - und schuf sofort einen Ausgleich. Die Schleier am Fußende des Bettes teilten sich, und die überaus exotische Zofe Concupiscentia erschien. Sehnsucht erstrahlte in ihren Augen. Sie blieb stumm, stieg aufs Bett und starrte zwischen die Beine der Frau, während eine zitternde blaue Zunge ihre Lippen teilte. Judith hob die Knie. Das Wesen senkte den Kopf, weiche Hände streichelten die Schenkel. Dieses Empfinden vertrieb die Enttäuschung aus Jude, und sie fühlte, wie neuerliche Müdigkeit den Lidern zusätzliches Gewicht verlieh. Einige Sekunden lang beobachtete sie, wie Concupiscentias Zunge zwischen ihren Beinen tätig war. Die Traumbilder verblaßten allmählich, und das

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