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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Kopf zur Seite und sah Jude an. »Sag es ihr.«
    984

    Celestines Aufmerksamkeit wanderte zu der Frau.
    »Du?« zischte sie. »Hast du an der Verschwörung gegen mich teilgenommen?«
    »Nein. Du verdankst mir deine Freiheit.«
    »Ich habe mich selbst befreit.«
    »Nachdem du von mir die Möglichkeit dazu erhalten hast«, stellte Judith fest.
    »Komm näher, damit ich dich besser sehen kann.«
    Jude zögerte - Dowds Mund gebar noch immer Käfer -, gehorchte jedoch, als Celestine die Aufforderung wiederholte.
    Die Gestalt musterte sie und neigte den Kopf dabei von einer Seite zur anderen; vielleicht wollte sie auf diese Weise verkrampfte Muskeln lockern.
    »Bist du Roxboroughs Frau?« fragte Celestine.
    »Nein.«
    »Das ist nahe genug. Nun, wer bist du dann? Wem von ihnen gehörst du?«
    »Ich gehöre niemandem«, erwiderte Jude. »Jene Leute, die du meinst... Sie sind alle tot.«
    »Auch Roxborough?«
    »Er starb vor zweihundert Jahren.«
    Daraufhin verharrten die Pupillen, und das Flackern in ihnen verwandelte sich in ein seltsames Glühen. Der starre Blick durchdrang Judith, hätte Stahl in Stücke schneiden können.
    »Zweihundert Jahre...«, wiederholte sie. Es klang wie ein Vorwurf. Und er galt nicht etwa Judith, sondern Dowd.
    »Warum hast du nicht versucht, mich in die Freiheit zurückzuholen?«
    »Ich habe dich für tot gehalten«, sagte Dowd.
    »Für tot? O nein, der Tod wäre eine Gnade gewesen. Ich brachte das Kind zur Welt und kümmerte mich eine Zeitlang darum. Das weißt du.«
    »Woher sollte ich es wissen? Es war allein deine Angelegenheit.«
    985

    »Mit dir hat sie angefangen. An jenem Tag, als du mich aus meinem normalen Leben gerissen und Gott gegeben hast. Ich habe dich nicht darum gebeten. Ich wollte es nicht...«
    »Ich war nur ein Diener.«
    »Du warst ein gehorsamer Hund. Wer hält jetzt deine Leine?
    Diese Frau?«
    »Derzeit bin ich niemandem verpflichtet.«
    »Gut. Dann kannst du mir dienen.«
    »Vertrau ihm nicht«, warf Judith ein.
    »Und wem sollte ich deiner Meinung nach vertrauen?«
    Celestine ließ sich nicht dazu herab, Jude anzusehen. »Dir? Ich bezweifle, ob du Vertrauen verdienst. Du hast Blut an den Händen und riechst nach Koitus.«
    In den letzten Worten erklang solcher Ekel, daß Trotz in Judith erwachte.
    »Ohne mich wärst du noch immer gefangen.«
    »Dann nimm meinen Dank in Form der Erlaubnis, diesen Ort zu verlassen«, entgegnete Celestine. »Ich bin ohnehin sicher, daß du meine Gesellschaft bald als langweilig empfinden würdest.«
    Diese Vorstellung hielt Judith keineswegs für absurd.
    Monatelang hatte sie sich die Begegnung mit der Eingemauerten herbeigesehnt, aber jetzt wußte sie, daß sie kaum mit Offenbarungen rechnen durfte. Hier gab es nur Celestines Irrsinn und ihren Zorn.
    Dowd stand auf, und ein Tentakel schlängelte aus der Dunkelheit heran und näherte sich ihm. Diesmal versuchte er nicht auszuweichen. Eine Aura unterwürfiger Demut umgab ihn, und Judith beobachtete den Mann - das Wesen -
    argwöhnisch. Er leistete keinen Widerstand, hob sogar die Arme und preßte die Handgelenke aneinander, um sich eine Fessel anlegen zu lassen. Celestine mißachtete sein Angebot nicht, wickelte ihm den Strang aus Fleisch um die Unterarme und zog ihn näher.
    986

    »Sei vorsichtig«, warnte Jude. »Er ist stärker, als es den Anschein hat.«
    »Alles gestohlen«, sagte Celestine. »Seine Tricks, das Gebaren, die Macht... Nichts davon gehört ihm. Er spielt immer nur eine Rolle. Habe ich recht?«
    Dowd erhob keine Einwände und senkte wie zustimmend den Kopf. Gleichzeitig stemmte er aber die Hacken in den Boden und widersetzte sich dem Zerren. Judith wollte eine zweite Warnung formulieren, bekam jedoch keine Gelegenheit dazu. Dowd schloß die Hände um den Tentakel und zog ruckartig daran. Diese Aktion überraschte Celestine; sie taumelte und stieß gegen den Rand des großen Loches in der Mauer. Bevor sie weitere Pseudopodien ausstrecken konnte, zerriß Dowd fast mühelos den Strang, der ihn bisher festgehalten hatte. Celestine stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, wankte in den Kerker zurück und zog die zerfetzte Fleischfaser hinter sich her.
    Dowd ließ es nicht dabei bewenden und strebte einen totalen Sieg an: Er stapfte den Resten der Mauer entgegen, kletterte über den Schutthaufen hinweg und donnerte dabei:
    »Ich bin nicht dein Sklave! Ich bin auch nicht dein Hund!
    Und du bist keine verdammte Göttin, sondern eine Hure!«
    Die Dunkelheit des Kerkers

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