Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Heideblütenfest. Aber da hatte er sowieso die dralle Blondine mit der Krone aus Heidekraut auf dem Kopf geküsst. Nicht mehr mich. Nie mehr mich.
Stopp! Konnte mal bitte jemand den Schleudergang in meinem Herzen anhalten?
»Wahnsinn!« Jan sank neben mir aufs Bett. »Meine große Schwester knutscht einen wildfremden Kerl ab, während unser Opa zu Asche zerfällt, und dann schmeckt der auch noch lecker.«
»Jan, bitte«, sagte ich.
Mein Bruder bemühte sich um ein zerknirschtes Gesicht. Ohne nennenswerten Erfolg. »Und wie ist es weitergegangen?«
»Ich … weiß nicht mehr genau. Irgendwann war ich wieder draußen auf dem Friedhof, hielt Opas Urne in den Armen und rannte weg. «
»Interessant«, bemerkte Jan im Tonfall eines Psychiaters. »Und du konntest dich da schon nicht mehr an die Knutschorgie erinnern?«
»Es war keine Orgie!«
Jan überging meinen Einwand. »Was hat denn Sissi dazu gesagt?«
Ich winkte ab. »Die musste mich erst mal einholen, und dann … Sissi! Verdammt! Die bringe ich um!«
»So viele Tote«, murmelte Jan. »Erst Opa, dann beinahe du, jetzt Sissi. Meine armen Nerven.«
Ich hörte nicht hin, schnappte mir mein Blackberry und rief meine Freundin an. Die konnte was erleben!
7.
Ich hasse Geheimnisse!
»Spätdienst «, murmelte Sissi statt einer Begrüßung. »Ich schlafe noch, Leute. Ruft mich in einer Stunde wieder an. Dann bin ich vernehmungsfähig.«
Kein Grund, Rücksicht zu nehmen, fand ich. »Du hast es gewusst!«
Jetzt war sie einigermaßen wach. »Nele? Brennt die Heide?«
Blöder Spruch. Brachte mich nur noch mehr auf. »Du hast gewusst, wer der Typ war, von dem ich dir gestern erzählt habe!«
»Der gut duftende mit den kuscheligen Augen«, ergänzte Sissi unnötigerweise. »Der so eine schöne breite Brust und eine warme, tiefe Stimme hat.«
Ich war froh, dass Jan nicht hören konnte, was Sissi sagte.
»Ja.«
Sissi stieß ein kleines Lachen aus, das in ein Gähnen überging. »So wie du ihn beschrieben hast, war’s nicht schwer zu erraten.«
Ich musste mich zwingen, nicht zu schreien. »Aber warum hast du es mir nicht gleich gesagt? Du hast für mich sogar diesen Blödsinn recherchiert, anstatt mir gleich alles zu erklären.«
Sissi ließ lange auf eine Antwort warten. Als ich schon dachte, sie sei wieder eingeschlafen, meinte sie: »Du warst ganz schön durch den Wind, Nele. Ich habe mir Sorgen gemacht. Das mit deinem Opa kam ja sehr plötzlich. Und dann bist du auch noch mit seiner Urne geflüchtet. Ich dachte einfach, es wäre vielleicht ganz gut, wenn du für eine Weile diese peinliche Knutschorgie im Krematorium ausblendest.«
»Es war keine Orgie«, erwiderte ich automatisch.
Jan neben mir horchte auf. Wenn eine Augenzeugin dasselbe Wort gebrauchte wie er, dann musste es bei mir und dem Fremden richtig heftig zur Sache gegangen sein, dachte er sich bestimmt.
»Ihr spinnt ja alle beide«, knurrte ich.
»Nele!«, rief Sissi aufgeregt. Auf einmal schien sie hellwach zu sein. »Ist er bei dir? Dein Retter mit den kuscheligen Augen? Habt ihr euch gefunden? Wann ist Verlobung? Bin ich zur Hochzeit eingeladen? Ich bin schon so gut wie unterwegs!« Sie schrie laut genug, so dass auch Jan sie hören konnte.
Er nahm mir mein Blackberry aus der Hand. »Hallo, liebste Sissi. Hier ist bloß der missratene kleine Bruder. Wie geht’s dir so? Was macht die Liebe? Wann kommst du mal wieder nach Hamburg?«
Seit ich Sissi und Jan miteinander bekannt gemacht hatte, liebten sie sich wie zwei ideale Geschwister.
»Armer Schatz«, sagte Jan. »Die Männer sind alle Verbrecher.«
Aha. Sissi hatte ihm gerade von ihrem amerikanischen Geschäftsmann erzählt, der ihr letzten Monat was von großer Liebe erzählt hatte, bevor er zu Frau und Kind nach Chicago zurückgekehrt war. Das unbedeutende Detail mit der Familie hatte Sissi herausgefunden, als sie nach drei Wochen Funkstille einfach mal bei ihm zu Hause angerufen hatte. Inzwischen war sie darüber hinweg, und ich hörte, wie sie ein fröhliches Lachen ausstieß.
Mein Zorn auf sie verflog, und ich freute mich, dass sie den schlimmsten Liebeskummer überstanden hatte.
Jan machte es sich auf meinem Bett gemütlich und griff nach einem halbvollen Prosecco-Glas.
Das konnte jetzt länger dauern.
Ich stand auf, überließ die zwei ihrem Klönschnack, der sich bestimmt auch um mich drehen würde, sobald ich mein Zimmer verlassen hatte, und überlegte, was ich jetzt tun sollte.
Mich aus dem Haus zu schleichen und mich im
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