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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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Reise, ja, die würde er schon mitmachen. Tat er dann auch. Nach Südfrankreich zum Beispiel. Er war jedoch jedes Mal heilfroh, wenn wir uns wieder der Heimat näherten. Ich sah ihn noch vor mir, wie er als Erstes in den Stall lief, um nach den vierzig Schwarzbunten zu schauen, wie er Haus und Hof wieder in Besitz nahm und dann erst einen langen Seufzer ausstieß. Wahrscheinlich fühlte er sich in solchen Momenten dem heimkehrenden Odysseus sehr verbunden, obwohl … Karl war nicht sonderlich belesen.
    Die Erinnerungen stürzten auf mich ein, als ich nun den Baggersee erreichte. Er sah noch genauso aus wie damals. Versteckt in einem Waldstück, tief, dunkel, mit steil abfallenden, sandigen Klippen, von denen wir früher ins Wasser gerutscht waren.
    Hier hatte unsere Clique am liebsten die heißen Ferientage verbracht. Tagsüber lagen wir in der Sonne oder schwammen ein paar Runden, abends grillten wir am Feuer die billigsten Würstchen. Zur Erntezeit kamen ausgebuddelte Kartoffeln dazu. Getrunken wurde Bier aus der Dose oder Rotwein aus dem Tetrapack. Jägermeister war auch beliebt, doch leider sehr teuer.
    Begriffe wie Komasaufen oder Flatrate-Trinken kannten wir damals noch nicht. Brauchte auch keiner. Auf Schützenfesten oder Feuerwehrbällen lagen die Leute auch so gern mal unter dem Tisch.
    Unsere Clique muss ich aber in Schutz nehmen. Keiner von uns war ein großer Trinker gewesen. Nur manchmal, bei besonderen Anlässen, wurde richtig zugeschlagen.
    Aus Kindern wurden am Baggersee schließlich Jugendliche, die ihre ersten Flirtversuche wagten und sich zum Knutschen ins Kiefernwäldchen zurückzogen. Die Welt drehte sich um uns, ganz klar, und wir brauchten keine iPods oder MP 3-Player zu unserem Glück. Ein alter Kassettenrekorder oder ein tragbarer CD -Player schenkten uns den Sound, den wir gerade brauchten.
    Ohne Handys und Facebook kamen wir auch prima aus. Die ganz coolen Typen in der Clique besaßen zwar schon ein Mobiltelefon, aber die meisten von uns konnten sich so etwas nicht leisten. War nicht so wichtig. Wir mussten uns nicht alle drei Minuten elektronisch mitteilen, wo im Gesicht ein neuer Pickel aufgetaucht war, warum der neue Mathelehrer doch ganz nett sein konnte (die Zwei in der letzten Arbeit war nicht wirklich verdient gewesen), oder wer von den Mädchen den neuen coolen Jungen an unserer Schule schon geküsst hatte. Hatte sowieso keine geschafft.
    Wenn wir uns verabreden wollten, benutzten wir das gute alte Telefon mit meinem Lieblingsklingelton oder riefen einmal quer über die Dorfstraße. Meistens waren große Absprachen sowieso nicht nötig. Wer gerade Lust hatte, tauchte am Baggersee auf. Irgendeiner aus der Clique war immer da.
    Auch jetzt.
    Karl.
    Ich kippte vom Rad und fiel zum Glück auf weichen Sandboden.
    »Nele!« Er kam auf mich zugelaufen. »Hast du dir wehgetan?«
    »Nee.« Mehr bekam ich nicht raus, weil Karl mich jetzt hochzog und noch ein Weilchen festhielt. Dabei lachte er laut heraus.
    »Was ist so lustig?«, fragte ich verwirrt.
    Er schob mich ein Stück von sich weg und sah mich an. Seine hellen Augen blitzten. »Ist echt nicht nötig, dass du jedes Mal vor mir zu Boden gehst.«
    Ich dachte an unser Wiedersehen am Tag zuvor, als ich mich in heller Panik hinter Papas Auto vor ihm versteckt hatte, und grinste. »Solange du nicht vor mir niederkniest, ist alles paletti.«
    Es muss der Baggersee mit all seinen Erinnerungen gewesen sein, der uralte Ausdrücke wie paletti aus meinem Mund rutschen ließ. Hatte ich seit mindestens dreizehneinhalb Jahren nicht mehr gesagt.
    Blöde Erinnerungen! Hier hatte Karl nämlich wirklich mal vor mir gekniet. Damals war ich achtzehn, er zwanzig gewesen. Er hatte mir einen Heiratsantrag gemacht! Total romantisch. Fehlten nur eine Riesentorte, Herzluftballons und massenhaft Wunderkerzen.
    »Ist ja ätzend!«, hatte Jan ausgerufen. Ätzend. Auch so ein Wort von damals.
    Die anderen hatten entweder albern gekichert, die Augen verdreht oder schnell noch einen Jägermeister auf den Schreck gekippt – ein paar hatten alles auf einmal gemacht.
    Der Jägermeister war sowieso schuld an allem gewesen. Bolle, der Sohn des Edeka-Filialleiters Kieling, hatte zwei Literflaschen mitgebracht, aus dem Lager stibitzt. Den Stress, den er mit seinem Vater deswegen kriegen würde, hatte er in Kauf genommen. Bolle hatte an gebrochenem Herzen gelitten und war nicht gewillt gewesen, sein Elend nüchtern zu ertragen.
    Aus Freundschaft hatten wir ausnahmsweise alle

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