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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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schuldig. Diese kleine Frau hatte wahrhaftig schon genug im Leben mitgemacht. Nun auch noch das.
    Eine Weile sagte niemand etwas. Grete atmete stoßweise, kam nach und nach jedoch zur Ruhe.
    Marie schien vor meinen Augen zu schrumpfen, und Hertha Kowalski gab sich alle Mühe, unsichtbar zu werden. Wahrscheinlich hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nichts so sehr bereut wie diesen Ausflug in die Lüneburger Heide.
    Ich wollte ihr beruhigend zulächeln. Schließlich konnte sie ja nichts für das Familienchaos, das sie angerichtet hatte. Woher sollte sie wissen, dass ich niemandem von meinem Missgeschick erzählt hatte? Jeder normale Mensch hätte zu Hause doch sofort gestanden: »Hier ist die Urne. Sorry, aber Opas Asche fährt gerade nach Hamburg weiter.«
    Das mit dem Lächeln ließ ich lieber.
    Zu gefährlich.
    Hätte ausarten können.
    Meine Mundwinkel mussten eisern in neutraler Position verharren.
    Paul kam mir in den Sinn. Paul und sein wunderbares Lachen, das bis in die Augenwinkel reichte. War bloß ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Trotzdem grub sich eine dumme Sehnsucht in mein Herz.
    Jan holte Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank, schüttete die Brötchen in einen Korb, deckte den Tisch und schenkte Kaffee ein. Es waren normale Geräusche an einem nicht besonders normalen Morgen.
    Papa brach schließlich das Schweigen mit einer logischen Frage, vor der ich mich schon gefürchtet hatte, seit ich in die Küche gekommen war.
    Jetzt war es so weit.
    »Woher wussten Sie, wo wir wohnen? Hat Nele Ihnen unsere Adresse gegeben?«
    Hertha Kowalski schluckte. Die Sache mit dem Prospekt hätte sie wohl lieber für sich behalten.
    Wäre mir sehr entgegengekommen.
    Leider war sie keine begnadete Lügnerin. Genauso wenig wie ich, übrigens.
    »Nun … also … es war …«, stotterte sie und sah mich Hilfe suchend an.
    Da musste ich jetzt durch.
    »Ich habe einen Prospekt vom Lüttjenshof mit in die Tupperdose gelegt«, erklärte ich und war ziemlich stolz auf mich. In dem Tonfall hätte ich auch verkünden können, dass die Butter ranzig war.
    Half bloß nicht viel.
    Grete und Marie schrien auf, Papa keuchte beim Versuch, die Fassung zu bewahren, Hertha Kowalski drehte sich zum Fenster um, als überlegte sie, durch die Scheibe hinauszuspringen. Mit einem resignierten Ausdruck im Gesicht drehte sie sich wieder zu uns zurück.
    Jan legte schwer eine Hand auf meine Schulter. Um mich festzuhalten.
    Oder sich selbst.
    Wieder war es Papa, der zuerst seine Sprache wiederfand.
    Bewundernswert.
    »Das war nicht sehr pietätvoll von dir, Nele.«
    »Aber es hat geholfen«, verteidigte ich mich. »Ohne den Prospekt hätte Frau Kowalski nicht gewusst, was sie mit Opas Asche machen sollte.« Da ich gerade mal in Fahrt war, fügte ich noch hinzu: »Opa hätte das bestimmt nicht so schlimm gefunden. Der Lüttjenshof war schließlich sein Leben.«
    »Bis in den Tod«, murmelte Jan und fing sich einen strafenden Blick von Papa ein. Der musste schon wieder mit sich kämpfen.
    Auch in meinem Zwerchfell meldete sich der Lachreiz zurück. War nur mit einer Nervenüberreizung zu erklären.
    »Ich kann Ihnen versichern«, sagte Hertha zu Papa, »dass ich äußerst vorsichtig zu Werke gegangen bin, als ich den Prospekt aus der Tupperdose genommen habe. Er war ein bisschen … nun … eingesunken, aber ich habe nichts von Ihrem Herrn Vater verschüttet. Es ist alles noch da.«
    »Herzlichen Dank«, erwiderte Papa artig.
    Gleich würde ich schreien müssen.
    Ging nicht mehr anders.
    »Ist noch Honig da?«, fragte Grete.
    Alle starrten sie an.
    War das jetzt zu viel für ihren Verstand gewesen?
    »In der Anrichte«, erwiderte Marie. »Jan, bist du so freundlich? Frau Kowalski, unseren Heidehonig müssen Sie unbedingt probieren. Goldgelb und zuckersüß. Den stellt ein Imker her, mit dem wir seit vierzig Jahren befreundet sind. Sie werden nirgendwo einen besseren finden. Unsere Gäste lieben diesen Honig. Wenn Sie mögen, geben wir Ihnen gern ein Glas mit.« Abgesehen von dem leicht monotonen Klang in der Stimme hörte sie sich vollkommen normal an.
    Panisch sah ich zu meinem Bruder hoch. Was hatte ich angerichtet? Zwei alte Damen schnappten über, und ich war schuld daran.
    Dann jedoch sah ich mir Marie und Grete genauer an.
    Und verstand.
    In seltenem stillem Einvernehmen hatten sie beschlossen, dass jetzt mal gut war. Was geschehen war, konnte nicht wieder rückgängig gemacht werden. Hauptsache, ihr geliebter Hermann war wieder da und

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