Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
würde angemessen beerdigt werden können. Die Umstände seiner Heimkehr wurden vergessen.
So sind sie, die starken Frauen bei uns auf dem Lande. Pragmatisch und aufs Wesentliche konzentriert.
Ich wünschte, ich besäße ein Stück von ihrer Kraft.
Grete und Marie halfen uns anderen, wieder zur Ruhe zu kommen.
Selbst Hertha Kowalski entspannte sich und verdrückte drei Brötchen. Sie lobte den Kaffee, den Honig, die Butter, Gretes Erdbeermarmelade, die gute Landluft, die schöne Gegend …
Ich verließ die Küche und ging nach draußen. Musste mal frische Luft tanken und zu mir kommen. Alle in der Familie waren wütend auf mich, bis auf Jan.
Fühlte sich nicht gut an. Fühlte sich auch nicht nach durchtrennter Nabelschnur an.
Ich seufzte. Wenigstens war Opa wieder daheim. Ein Problem weniger.
»Moin!«, rief ich Karl zu, der drüben gerade mit einer Schubkarre aus dem Kuhstall kam.
»Moin«, knurrte er.
Klang nicht sehr freundlich.
Tja, man kann nicht alles haben im Leben.
19.
Entspannt euch!
Zehn Minuten später kam Jan zu mir nach draußen. Ich saß in der Hollywoodschaukel und gab mir Mühe, an gar nichts zu denken. Außer an Paul Liebling, aber dabei verfiel ich in eine Art Minutendepression. So war ich ganz froh, als Jan sagte: »Hoch mit dir. Wir fahren nach Hamburg, und Frau Kowalski nehmen wir mit.«
»Gut.« Ich sprang auf. »Ich kann es gar nicht erwarten, hier rauszukommen. Hamburg ist mal eine nette Abwechslung.«
Hätte ich besser nicht gesagt.
Man kann Katastrophen auch herbeirufen.
Jan hob die Schultern. »Sei froh, dass du deine größte Sorge los bist.«
Hätte er auch besser nicht gesagt.
Hertha Kowalski kam mit Grete, Marie und Papa heraus. Papa trug eine voll gepackte Tasche und verstaute sie im Kofferraum von Jans Wagen.
»So viel kann ich allein doch gar nicht essen«, protestierte Hertha schwach. »All die gute Marmelade, der Honig, der Heideschinken, die Mettwurst. Das ist doch viel zu viel für eine alte Frau.«
Grete und Marie hatten die Speisekammer geplündert.
»Sie können ja Ihrer Tochter etwas davon mitbringen, wenn Sie nächstes Mal nach München fahren«, sagte ich. »Die freut sich bestimmt.«
»Das ist eine famose Idee. Wann fahren Sie zurück?«
Ihr Gesichtsausdruck verriet nicht, ob sie darauf hoffte, mit mir gemeinsam zu reisen, oder eher auf das Gegenteil.
»Ich weiß noch nicht genau. Frühestens am Sonntag.«
Mit der Auskunft war sie nicht wirklich zufrieden.
»Ach«, sagte sie unbestimmt. Dann verabschiedete sie sich von Grete und Marie und ließ sich von Papa auf den Rücksitz helfen.
»Tschüs, Papa«, murmelte ich.
»Tschüs, mein Spatz.«
Er war mir nicht böse.
Gott sei Dank.
Einen Moment lang war ich versucht, mich in seine Arme zu werfen.
Grete hielt mich davon ab. »Sieh bloß zu, dass in Hamburg nichts verloren geht!«, rief sie mir zu.
Marie stupste sie in die Seite. »Lass das Kind in Ruhe.«
»Musst du gerade sagen. Du hast die Deern doch immer nur verzärtelt. Das hast du nun davon.«
Marie schwieg. Das konnte dauern.
Grete schimpfte weiter.
Ich seufzte. Bei den beiden war wieder alles beim Alten. Irgendwie beruhigend.
Eine halbe Stunde später nahmen wir bei Garlstorf die Auffahrt zur A 7 in Richtung Hamburg.
Hertha Kowalski hatte seit unserer Abfahrt keinen Ton mehr gesagt. Als ich mich einmal zu ihr umdrehte, sah ich, dass sie eingeschlafen war.
»Sie sieht so erschöpft aus«, raunte ich Jan zu.
»Eine geballte Ladung Lüttjens ist ja auch anstrengend.«
Mein schlechtes Gewissen machte mir zu schaffen. »Ich weiß gar nicht, ob wir sie nachher allein lassen können. Immerhin war sie schon im Krankenhaus.«
Jan runzelte die Stirn. »Sie hat doch von einer Nachbarin erzählt, die den Notarzt gerufen hat. Wir werden die Dame bitten, sich um Hertha zu kümmern.«
»Gute Idee.«
Mein Blackberry klingelte durchdringend, aber nicht einmal davon wachte Hertha auf.
»Sissi«, sagte ich. »Wie läuft’s?«
»Das fragst du mich? Ich schmore hier vor mich hin, und du meldest dich nicht. Ich will alles wissen. Sofort!«
Ratlos sah ich aus dem Fenster. Grüne Weiden und dunkle Eichenwälder flogen an mir vorbei. Wo sollte ich bloß anfangen? Bei dem nackten Karl Küpper im Baggersee? Dem lachenden Paul Liebling in seiner Kanzlei? Oder bei dem gelüfteten Familiengeheimnis?
»Opas Asche ist wieder da«, erklärte ich. Schien mir im Moment das Einfachste zu sein.
»Schön, das freut mich. Und weiter? Was ist mit Karl? Und
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