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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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brummte vor sich hin. Ich schaute genauer hin. Der hatte früher bei uns zu Hause gestanden. Kein Zweifel. Bis er in den Keller gewandert war, weil Grete und Marie das laute Brummen nicht mehr ertragen konnten. Wie Mama den wohl nach Hamburg gekriegt hatte?
    Ich nahm eine angebrochene Sektflasche heraus und goss ein Glas voll. Keine besonders gute Marke, dieser Sekt. Hätte ich normalerweise nicht angerührt. Andererseits konnte ein Schluck nicht schaden. Ich nahm zwei weitere Gläser, leerte die Flasche und stellte eine zweite, die ich in der Speisekammer fand, ins Eisfach. Gut möglich, dass wir ihn noch brauchen würden.
    Ein Schneidebrett diente mir als Tablett, und ich trug es an Jan vorbei ins Wohnzimmer. Dann kehrte ich zurück.
    Mamas Stimme schallte mir schon entgegen. »Ashoka-Schatz, ich verdurste. Wo bleibt mein Sekt?«
    Jan machte eine einladende Handbewegung. Ich holte tief Luft, stieß die Tür auf und betrat ein mit Dampfschwaden gefülltes Bad. Jan folgte mir.
    »Hallo Mama.«
    Ich an ihrer Stelle hätte jetzt einen Schrei ausgestoßen und Badewasser überschwappen lassen. Nicht so Mama. »Nele-Süße, kannst du mir den Sekt holen? Oder du, Jan-Hase?«
    Gab’s in dieser Bude keine normalen Namen mehr?
    Mama wirkte außerordentlich entspannt, und das konnte nicht nur an dem nach Vanille und Kokos duftenden Badezusatz liegen.
    »Hast du was geraucht?«, erkundigte ich mich und fing mir einen Nele-du-Spießer–Blick von Jan ein.
    Mama stieß ein glucksendes Lachen aus.
    »Meine Kinderchen, lasst mich hier mal rauskommen, dann trinken wir zusammen ein Gläschen.«
    Wir verkrümelten uns ins Wohnzimmer und mussten nicht lange warten.
    Mama erschien in einem gestreiften Herrenbademantel. Auf dem Kopf trug sie ein zum Turban gewundenes Handtuch, an den Füßen Adiletten. Aber ihre Haltung war königlich.
    Und ein bisschen klarer im Kopf war sie auch. Vielleicht hatte sie sich ja noch mal kalt abgeduscht.
    »Das ist aber eine Überraschung«, sagte sie und ließ sich neben uns aufs Sofa fallen. »Meine Kinderchen bei mir zu Besuch. Darauf stoßen wir an.«
    Wir hoben unsere Gläser. Der Sekt schmeckte wie erwartet.
    Egal. Hauptsache, er wirkte.
    »Wer ist Bodhi?«, fragte ich. War im Moment nicht das Wichtigste, aber ich musste mich erst mal sammeln.
    »Na, ich. Das ist mein buddhistischer Name. Er bedeutet Erwachen. Wir alle hier haben uns neue Namen gegeben. Carlo zum Beispiel heißt Ashoka. Das bedeutet ›ohne Traurigkeit‹. Aber er hat sich noch nicht daran gewöhnt. Er stellt sich immer noch als Carlo vor. Sibylle …«
    »Lass gut sein, Mama«, schnitt ich ihr das Wort ab.
    »Warum bist du denn so aggressiv, Nele?«
    »Ich? Kein Stück!«
    »Und ob. Was meinst du, Jan?«
    Wenigstens hießen wir nicht mehr Nele-Süße und Jan-Hase.
    Konnte als Fortschritt gewertet werden. Trotzdem merkte ich, dass ich wirklich stinksauer war. Wieso durfte Mama hier ihr Leben genießen, während mein eigenes gerade von einem Sturm durcheinandergewirbelt wurde?
    Auch Jan wirkte jetzt angespannt. Mochte er mich Spießer schimpfen, so ganz geheuer war ihm unsere Mutter auch nicht. Er trank sein Glas in einem Zug aus und verzog bei dem Geschmack nicht einmal die Mundwinkel.
    So was nennt man Courage.
    Mama schien direkt in uns reinzusehen.
    »Jetzt werdet erst mal locker, Kinder«, sagte sie und lehnte sich zurück. »Dann können wir uns in Ruhe unterhalten. Nele, schaust du mal nach, ob wir noch ein Fläschchen von dem Zeug haben? Wir wollen es uns so richtig schön gemütlich machen.«
    Gute Idee. Zumindest die mit dem Sektnachschub.
    Ich ging in die Küche, wo die Flasche im Eisfach noch nicht wesentlich kühler geworden war.
    Egal.
    Zurück im Wohnzimmer setzte ich mich bewusst ein Stück weg von Mama.
    Sie quittierte das mit einem gleichmütigen Blick und hielt mir ihr Glas hin. Ich ließ den Korken knallen, Sekt sprudelte auf den gräulichen Flokati, Mama lachte, und ich wurde immer wütender.
    »Jan hat dir also alles erzählt«, begann sie.
    Ich nickte.
    »Dann kennst du auch meine Gründe.«
    Ich nickte wieder.
    »Und bist du jetzt so schlecht gelaunt, weil ich dich nicht eingeweiht habe?«
    Getroffen.
    Ich starrte zu Boden. Genau das war der Punkt. Von mir aus konnte Mama machen, was sie wollte, außer Papa endgültig verlassen, natürlich. Aber dass sie mich nicht ins Vertrauen gezogen hatte, das schmerzte sehr.
    Schon merkwürdig.
    Erst jetzt stellte ich fest, wie wichtig sie mir war.

20.
    Mama packt

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