Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
aus
Eine Weile blieben wir stumm und nippten an dem ekligen Sekt.
Jan brach schließlich das Schweigen. »Nächstes Mal bringe ich dir einen wirklich guten Prosecco mit«, sagte er zu Mama.
»Fein.«
Wieder senkte sich Stille über uns, und ich stellte fest, dass meine Wut langsam verrauchte. Offenbar hing eine ausgesprochen friedfertige Aura in dieser Wohnung rum.
Carlo Berger kam vom Einkaufen zurück und gesellte sich für einen Moment zu uns ins Wohnzimmer. Als niemand mit ihm sprach, fuhr er sich verwirrt durchs Haar und verkündete, er wolle jetzt einen Kuchen backen.
Kuchen klang gut, fand ich. Hauptsache, es wurden keine Haschplätzchen.
Warum eigentlich nicht?, fragte ich mich im nächsten Moment. Wenn ich an die feindliche Stimmung auf dem Lüttjenshof dachte, konnte es nicht schaden, im Geiste auf einem anderen Planeten zu schweben.
Ich merkte, dass Mama mich intensiv musterte. Tat sie wohl schon eine ganze Weile, denn auch Jan wurde jetzt darauf aufmerksam.
»Was starrst du denn Nele so an?«
»Ach, nichts.« Sie starrte weiter.
Mir wurde kalt.
Da lag etwas in ihrem Blick, das mir Angst machte. Um sie abzulenken, fragte ich das Erste, das mir in den Sinn kam:
»Wie hast du unseren alten Kühlschrank hergekriegt?«
»Was?« Es schien, als wachte sie aus einem Traum auf.
»Den Kühlschrank. Von Nordergellersen nach Eppendorf.«
»Oh, den. Ashoka besitzt einen kleinen Transporter. Wir haben den Kühlschrank letztes Jahr geholt, als der Rest der Familie auf dem Heideblütenfest war.«
Wieder dieses Starren.
»Mama, was ist denn?«
»Nichts, Süße, gar nichts. Hat sich Papa wieder beruhigt?«
Das war mein Stichwort. »Es geht so. Worüber habt ihr gestern eigentlich so gestritten?«
Mama hob die Schultern. »Olaf will mich auf dem Hof einsperren, aber ich brauche meine Freiheit. Darüber diskutieren wir schon ziemlich lange.«
»Was erwartest du denn von ihm? Er weiß nicht einmal, wo du bist und was du tust, wenn du nicht da bist. Vorgestern wollte er schon nach Hamburg kommen, um dich zu suchen. Der arme Papa.«
»Verloren in der großen Stadt«, ergänzte Mama und kicherte.
»Ich finde das nicht besonders lustig«, sagte ich.
»Ich auch nicht«, pflichtete Jan mir bei.
»Olaf ist ein Holzkopf.«
Ich wollte protestieren, aber Mama hob gebieterisch die Hand.
»Es ist so. Wenn er jemals erfahren sollte, dass ich hier in einer WG lebe und mich mit alternativen Lebensformen befasse, wird er nur an freie Liebe in einer Kommune und an Drogensumpf denken.«
Ich fühlte mich ertappt.
Da hatte ich ja mehr mit Papa gemeinsam, als ich dachte.
Zwei Holzköpfe also.
»Dabei sind wir hier gar nicht so ausgeflippt«, führte Mama aus. »Natürlich befassen wir uns mit Bewusstseinserweiterung und fernöstlicher Philosophie, aber dazu feiern wir weder Orgien noch knallen wir uns die Birnen mit Drogen zu. Hin und wieder lassen wir mal eine Haschpfeife kreisen, aber nur, damit wir besser diskutieren können. Und Sex? Der wird meiner Meinung nach sowieso überbewertet. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie ich mit Ashoka das Kamasutra durchprobiere?«
Jan gluckste. »Nee.«
Ich stellte fest, dass ich einiges von dem, was Mama sagte, nachempfinden konnte.
Trotzdem.
»Papa wird noch verrückt vor Sorge. Er kommt mir ganz hilflos vor ohne dich.«
Das saß. Mama runzelte die Stirn. Offenbar empfand sie doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen.
Ich setzte noch eins drauf. »Ihr solltet keine Geheimnisse voreinander haben. Das tut keiner Ehe gut.«
»Geheimnisse tun auch keiner Familie gut«, schoss Mama zurück. Sofort hielt sie sich die Hand vor den Mund, ganz so, als bereute sie, was sie eben gesagt hatte.
»Du kennst die Geschichte von Marie und Hermann?«, fragte Jan arglos.
»Von wem?«
Ihre Verwirrung war echt. Ich begriff plötzlich, dass es noch ein zweites Geheimnis in der Familie Lüttjens geben musste, und ich war mir sicher, dass ich es nicht erfahren wollte. Dieses Gestarre hatte mich misstrauisch gemacht.
Jan fasste für Mama zusammen, was wir von Opa Hermanns Anwalt erfahren hatten. Die Erwähnung Paul Lieblings tat mir nicht gut. Ich wünschte mir plötzlich, er säße neben mir. Ganz dicht. Und hielte meine Hand. So allein fühlte ich mich.
»Ist ja ein Ding!«, rief Mama aus, als Jan geendet hatte. »Davon habe ich nie etwas geahnt. Die ganzen Jahre nicht. Aber es erklärt so einiges. Ich habe mich schon oft gefragt, wie Hermann damals so schnell alles entscheiden
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