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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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komisch. Nun geh schon. Und was deine Familie betrifft, habe ich es mir anders überlegt. Ich glaube, ich würde lieber von euch adoptiert werden.«
    Ich feixte und heulte gleichzeitig.
    Unter der Dusche schrubbte ich mich, bis meine Haut einen rosafarbenen Schimmer aufwies. Trotzdem hatte ich anschließend das Gefühl, noch immer ein wenig nach Schaf zu riechen.
    Sissi sagte aber nichts, und auch Jan rümpfte nicht die Nase, als er kam, um mich zu frisieren.
    Ich wurde gerade noch fertig, bevor sich die Familie zur Kirche aufmachte. Jan fuhr Marie und Grete mit dem Auto, wir anderen gingen zu Fuß. Opas Urne war schon am frühen Morgen vom Pastor abgeholt worden.
    Der Sommertag breitete seine sonnigen Arme über uns aus, und in den Baumwipfeln jubilierten die Spatzen um die Wette.
    Wir wurden alle von der feierlichen Stimmung angesteckt.
    Die Glocken von St. Johannis läuteten, und im Innern der Kirche war jede Bank besetzt. Das ganze Dorf schien gekommen zu sein, um Hermann Lüttjens die letzte Ehre zu erweisen.
    Die vorderste Bank war für die Familie freigehalten worden, und wir setzten uns, während der Organist Opas liebstes Kirchenlied anstimmte: »Geh aus mein Herz und suche Freud.« Alle sangen mit, und auch ich hatte meine Freude an diesem Gesang.
    Merkwürdig.
    Dies war ein Moment der Trauer, und doch empfand ich auf einmal Glück. Es war das Glück, in einer Familie aufgewachsen zu sein, die mich geliebt hatte und mich bis heute liebte.
    Meine seelische Achterbahnfahrt war definitiv noch nicht vorbei.
    Hatte ich auch nicht erwartet.
    Jan stieß mir den Ellenbogen in die Seite. »Hör auf zu flennen. Dein Mascara ist nicht wasserfest.«
    Ich gab mir alle Mühe.
    Pastor Gräve hielt eine wunderbare Predigt, in der er die Lebensstationen unseres Opas nachzeichnete. Nicht alle natürlich, denn ein paar einschneidende Stationen kannte er offensichtlich nicht. Aber er rühmte Hermann Lüttjens als Stütze der Dorfgemeinschaft, und damit hatte er durchaus recht. Opa hatte jahrelang im Gemeinderat mitgewirkt, war in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv gewesen und hatte dem Schützenverein vorgestanden.
    Die Predigt geriet ausgesprochen lang. Ich bemerkte, wie Marie zwischendurch mal einnickte und von Grete angestoßen wurde. Ich sah mich um und bemerkte, dass einige Dorfbewohner ein Gähnen unterdrückten.
    Okay, es ging um ein langes Leben, aber es wurde auch langsam Zeit für die Beisetzung und dann für einen ausgiebigen Leichenschmaus. Ich konnte sie verstehen. Opa war auch kein Freund der langen Rede gewesen.
    Ich schielte noch einmal nach hinten und entdeckte Paul Liebling. Unbeschreibliche Freude erfüllte mich, und ich verspürte den irren Wunsch, über die Bänke zu steigen und mich in seine Arme zu werfen.
    Nach der Knutschorgie im Krematorium wäre die Kirche eine passende Location gewesen.
    Ich schluckte und nahm seine Erscheinung in mich auf. Dunkler Anzug, ernstes Gesicht.
    Ein Gedanke fand den Weg in mein Innerstes: Dort also gehörst du hin, mein Herz.
    In der nächsten Sekunde schlug die Realität mit voller Wucht zu.
    Niemals!
    Nicht er.
    Nicht ich.
    Keine Chance.
    Ich senkte den Kopf.
    Traurigkeit füllte mich aus, floss über, zeichnete schwarze Rinnsale auf meine Wangen.
    »Mensch, Kröte«, flüsterte Jan und reichte mir ein Taschentuch.
    »Lass sie doch«, flüsterte Sissi auf der anderen Seite.
    Ich liebte sie. Alle beide. Und die anderen, die mit uns auf der Bank saßen, auch.
    Hatte nicht gewusst, wie viel Liebe in mir war.
    Vielleicht half es ja. Wenn ich die Lüttjens und Sissi so heftig liebte, blieb nicht so viel für Paul übrig.
    Ich schniefte leise vor mich hin.
    Das Leben ging weiter.
    Wie auch immer.
    Wo auch immer.
    Dann fiel mir ein, dass ich mit Paul Liebling am Heidekrug verabredet gewesen war, damit er mir Opas Brief geben konnte.
    Musste er mir den Brief eben nachher geben. Oder ich konnte Jan bitten, ihn entgegenzunehmen. Gute Idee. War mir nämlich nicht sicher, ob ich es mit Fassung überstehen würde, Paul so nahe zu kommen.
    Lieber nicht.
    Persönliche Übergabe hin oder her – Opa konnte das jetzt egal sein.
    Außerdem würde in dem Brief eh nichts anderes drinstehen, als ich ohnehin schon wusste.
    Tja, wieder mal geirrt.

24.
    Ist das Leben ein Wartesaal?
    Als es auf den Friedhof ging, hatte ich mich wieder im Griff. Paul Liebling stand irgendwo abseits, und ich schaute mich nicht nach ihm um.
    Der Findling an Opas Grab war schlicht, nicht zu groß, genau passend. Ich

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