Immer diese Gespenster
worden zu sein: «Der Herr Pfarrer kommt zuerst an die Reihe. Sie müssen hinten antreten, mein Freund.»
Lord Paradine und Sir Richard nahmen keine Notiz von dem jungen Mann, und Hero hielt es daher auch nicht für nötig, sondern sagte in unverbindlichem Tonfall zu Pastor Witherspoon: «Ja, ich verstehe.»
«Sie haben doch nichts dagegen?» fragte der Geistliche aggressiver als angebracht erschien.
Hero fühlte sich in die Enge getrieben, denn er wußte, daß er sich nichts vergeben durfte. Er glaubte auch, eine gewisse Feindseligkeit wahrzunehmen. Er hatte keine Zeit, sich umzusehen, doch in seinem engeren Blickfeld bemerkte er ein auffallend schönes dunkelhaariges Mädchen und einen jungen Mann mit rotem Haar, daneben eine sehr schlanke und elegante Frau mit heller Haut, klaren, eindringlichen Augen und einem feuchten roten Mund. Sie stand bei einem Mann, dem man schon von weitem den Offizier ansah, und einer gedrungenen, sportlich gekleideten Frau mit breiten Hüften und blaugetöntem Haar.
«Ich hätte es vorgezogen, mich zuerst ein wenig umzusehen, doch habe ich nichts dagegen, wenn Sie jetzt beginnen wollen.»
Pfarrer Witherspoon sagte in leicht gönnerhaftem Ton: «Das ist sehr freundlich von Ihnen, junger Mann. Ich werde die anglikanische Fassung einer alten Beschwörungsformel aus dem siebzehnten Jahrhundert benützen. Kennen Sie sie?»
Hero antwortete: «Ich kenne einige Dutzend Geisterbeschwörungsformeln, doch spielt es keine große Rolle, welche Sie benützen, solange das Herz rein und der Zweck lauter ist. Sonst allerdings kann es sich als gefährlich erweisen.»
Der Pfarrer warf Hero einen prüfenden Blick zu, konnte aber nichts Beleidigendes in seinem Gesichtsausdruck entdecken.
Lord Paradine sagte: «Jaja, selbstverständlich. Könnten Sie noch einen Augenblick warten, Pastor Witherspoon? Enid, das ist Mr. Alexander Hero.»
Hero verbeugte sich vor der gelangweilt dreinblickenden Frau mit dem roten Haar, die früher eine ungewöhnliche Schönheit gewesen sein mußte. Lady Paradines kraftlose Hand ruhte einen Augenblick in der seinen.
«Meine Schwester Isobel.»
dachte Hero. Ihre Begrüßung klang aufrichtig und herzlich. Die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, war fest, ihr Lächeln offen und freundlich. Sie sagte: «Seien Sie willkommen!» Mit ihrem hellen, silberblonden Haar, dem langen Gesicht und den grünlichen Augen war sie die auffallendste Gestalt im Saal. Sie war elegant gekleidet; doch Hero hatte das Gefühl, daß der Hut, den sie trug, aus einem anderen Jahrzehnt stammte, und so als hätte sie seit langer Zeit keine Hüte mehr getragen.
«Meine Tochter Beth und mein Sohn Mark», sagte Lord Paradine, «und das ist Susan Märshall, die bei uns zu Gast ist.»
Hero empfand vom ersten Augenblick eine warme Zuneigung zu den dreien. Die beiden Mädchen waren gleich alt, der Sohn, Mark Paradine, einige Jahre älter. Er hatte einiges von der Schönheit seiner Mutter geerbt, doch Hero fand seine Vitalität und seine ganze Persönlichkeit sehr viel anziehender.
Hero erkannte sogleich, daß Elizabeth Paradine der Typus des allzu behüteten englischen Mädchens strenger Eltern war; ihr blasses Gesicht, ihre Schüchternheit und Nervosität, die sich durch die kürzlichen Ereignisse im Schloß noch verstärkt haben mochten, waren ein deutliches Zeichen dafür. Doch selbst in der kurzen Zeitspanne, da sie sich gegenüberstanden, vermeinte er noch etwas anderes an ihr zu entdecken, das er aber einstweilen nicht ergründen konnte. Unter ihrem lieblichen, blonden Äußeren verbarg sich eine tiefe innere Not.
Der Gegensatz zwischen ihr und ihrer amerikanischen Freundin Susan Marshall war so ausgeprägt, daß Hero heimlich lächeln mußte und dachte:
Susan Marshall war eine amerikanische Schönheit, doch nicht von der gewöhnlichen Art. Denn obschon sie alle körperlichen Vorzüge aufwies, welche diese Nation von ihren Frauen fordert — eine gut proportionierte, sportliche Gestalt, klare, schöne Züge, helle braune Augen und kräftige weiße Zähne, dunkles, glänzendes Haar und einen roten Zigeunermund — , besaß sie auch ungewöhnliches Selbstbewußtsein und Selbstdisziplin, gepaart mit echter Lebensfreude, Intelligenz und Freimütigkeit. Susan Marshall war eine Persönlichkeit und eine sehr anziehende dazu,
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