doch ihre Augen wanderten unruhig umher. Es erstaunte ihn nicht, daß Susan Marshall aufrecht und stolz, aber nicht abweisend, dastand. Was immer ihre Überzeugungen sein mochten, sie schien seelisch zwar bereit, mitzumachen, wollte aber zugleich ihre Unabhängigkeit bewahren. Sie hatte sich selbst völlig in der Gewalt und würde schwer zu beeinflussen sein, dachte Hero. Mark Para-dines rotes Haar leuchtete dicht neben ihrer dunklen kastanienbraunen Mähne. Sein Blick ruhte hingerissen, nicht etwa auf dem betenden Geistlichen, sondern auf Susan.
Das zwölfjährige Kind kniete neben seiner Mutter, Mrs. Spendley-Carter; doch Hero bemerkte, wie sie ihm verstohlen zublinzelte, und mußte sich beherrschen, um nicht zurückzublinzeln. Er war überzeugt, daß sie in schrilles Kichern ausgebrochen wäre, wenn er es getan hätte. Alle Männer standen stramm — mit Ausnahme von Mr. Jellicot.
Der Pfarrer erhob sich von den Knien, machte das Zeichen des Kreuzes und sprach mit erhobener Stimme: «Ich befehle dir, unreiner Geist, wer immer du sein magst, mit allen deinen Gehilfen, die von diesem Haus Besitz ergriffen haben, bei den Mysterien der Inkarnation, Passion, Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, beim Heiligen Geist und beim Erscheinen Gottes, des Herrn, am Jüngsten Tag, mir durch ein Zeichen kundzutun, welches dein Name und der Tag und die Stunde deines Wegganges sind.»
Paradine machte ein grimmiges Gesicht, und Hero konnte ihn in Gedanken fortfahren hören: Hero drehte den Kopf und fühlte den Blick von Major Wilsons Frau auf sich ruhen; sie starrte ihn unverwandt und freimütig an. Ihre Augen trafen sich, und die Botschaft, die sie ihm sandte, war unmißverständlich. Er schaute rasch weg und zu Susan Marshall hinüber. Worin lag das Geheimnis, das sie umgab? In der anscheinend unbezwingbaren Festung ihrer Persönlichkeit? Er sagte zu sich selbst:
Lady Paradines Augen waren gesenkt, doch die Isobels schweiften in der großen Halle umher, verweilten auf dem kalten, polierten Metall der alten Rüstungen, den warmen Farben der Wandteppiche, den Bannern längst verstorbener Paradines und dem geheimnisvollen Dunkel der Musikantengalerie. Dann hefteten sie sich auf den Geisterbeschwörer. Hero zweifelte nicht, daß Isobel die eigentliche Herrin des Schlosses Paradine Hall war.
Pfarrer Harry Witherspoon donnerte: «Ich beschwöre dich, du alte Schlange, du verworfener Drache, im Namen des unbefleckten Lammes, das die Giftschlange und den Basilisk zertrat, verlasse dieses Haus, erbebe und fliehe, wenn wir den Namen des Herrn anrufen, vor dem die Hölle erzittert.» Er sprengte Weihwasser in alle vier Windrichtungen.
Irgendwo im oberen Stock ertönte ein schreckliches Krachen, gefolgt von durchdringenden Schreien, einer immer lauter als der andere — eilige Schritte waren zu vernehmen. Alle Anwesenden erstarrten vor Schreck, außer Mr. Hero, der etwas Ähnliches erwartet hatte und murmelte: «Genau im richtigen Moment, was mag es wohl sein?»
Seine Frage wurde vom Zimmermädchen beantwortet, das in Schürze und Haube schreckensbleich durch die Tür der großen Halle gestürzt kam. Der Anblick der Versammlung schien sie ein wenig zu beruhigen, und der nächste Schrei erstarb auf ihren Lippen. Sie rannte, ohne Lady Paradine zu beachten, auf Isobel zu und rief: «Miss Isobel! Miss Isobel! Oh, mein Gott, es hat mich so erschreckt — im Zimmer der jungen Dame — Miss Susan!»
Isobel erhob sich, ruhig, gefaßt und kühl. Sie sagte: «Nimm dich zusammen, Lucy. Was ist passiert? Sicherlich nichts, was einer erwachsenen Frau solche Angst einjagen kann.»
Das Mädchen gab sich alle Mühe, doch seine Augen waren immer noch vor Entsetzen geweitet, und es stotterte: «Ich ging ins Zimmer der jungen Dame und ...» Die Erinnerung an das, was sie gesehen hatte, überwältigte sie, und sie sank auf die Knie und preßte die Hände vors Gesicht.
Hero sagte mit harter Stimme zu Sir Richard Lockerie: «Kommen Sie!» Mark Paradine gab er mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß er sich anschließen solle, und Susan Marshall rief er zu: «Miss Marshall, wollen Sie uns bitte in Ihr Zimmer führen —