Immer diese Gespenster
ich darf.»
Mrs. Taylor seufzte. «Ich hab’s gewußt», sagte sie düster.
Hero sagte: «O nein, nicht deswegen», und deutete mit der Pfeife auf die Tarockkarten. «Damit hat es noch Zeit, das heißt, ich kann meine Neugier zügeln. Im Augenblick beschäftigt mich das Dinner am Freitagabend mehr. Ich habe die Sitzordnung im Kopf. Sie saßen am Ende der Tafel rechts von Lord Paradine. Sie sind eine intelligente und aufmerksame Frau. Ich hätte gern, daß Sie mir erzählen, was Sie sahen und was geschah.»
Mrs. Taylor fühlte sich geschmeichelt und widersprach nicht.
«Der Sessel bewegte sich», sagte sie.
«Haben Sie das mit eigenen Augen gesehen?»
«Zuerst hörte ich es und überlegte, wer wohl aufgestanden sein und die Tafel verlassen haben könnte — das kratzende Geräusch nämlich und als ich hinschaute, bewegte er sich über den Steinboden. Niemand berührte ihn oder befand sich auch nur in seiner Nähe. Das kann ich beschwören.»
«Und dann?»
«Ich hörte und sah, wie Lord Paradine sich erhob und auf den Sessel zuging. Ich weiß nicht mehr genau, was er sagte, aber er stieß Verwünschungen aus und versuchte, ihn festzuhalten. Doch es gelang ihm nicht.»
«Gelang es ihm wirklich nicht, oder schien es nur so?»
Mrs. Taylor blickte ihn durchdringend an. «Oh, ich verstehe, was Sie meinen, Sie glauben, Lord Paradine hätte uns etwas vorgemacht. Daß er so tat, als ob er sich schrecklich mit dem Sessel abquälte und ihn nicht zu halten vermochte.»
Hero sagte: «Ich glaube gar nichts. Ich möchte nur wissen, was Sie gesehen haben.»
Mrs. Taylor begann jetzt an ihren eigenen Erinnerungen zu zweifeln und fuhr fort: «Ja, er sagte, er könne ihn nicht halten, und außerdem sah ich ja den Sessel über die Fliesen rutschen, als kein Mensch in der Nähe war. Und schließlich kippte er um und begrub Lord Paradine unter sich.»
«War das, bevor oder nachdem die Kerzen erloschen?»
«Während — oder, nein — nachher. Ach, man wird ganz verwirrt, wenn man versucht, sich genau zu erinnern.»
«Ja», sagte Hero. «Aber ich habe nicht den Eindruck, daß Sie sich leicht aus der Fassung bringen lassen. Wie erloschen die Kerzen — eine nach der andern oder alle gleichzeitig?»
«Eine nach der anderen, glaube ich. Ja — aber ich kann mich erinnern, daß manchmal zwei oder drei gleichzeitig ausgingen.»
«Flackerten, sprühten oder zuckten sie — die Flammen, meine ich? Herrschte irgendwelcher Durchzug im Saal?»
«Nein, sie gingen ganz einfach aus. Eine Kerze stand genau vor mir. Ich sah deutlich, wie die Flamme in sich zusammensank.»
Hero nickte befriedigt und sagte: «Ja, so muß es gewesen sein.»
Mrs. Taylor warf ihm einen scharfen Blick zu. «Aha», sagte sie. «Es scheint, daß Sie einiges darüber wissen, junger Mann.»
Hero machte ein unschuldiges Gesicht. «Ich?» fragte er. «Keineswegs. Ich meine nur, wenn ich ein Gespenst wäre, würde ich die Kerzen genauso auslöschen, um den stärksten Effekt zu erzielen. Ich bilde mir ein, ich würde ein besseres Gespenst abgeben als mancher andere, finden Sie nicht auch?»
Mrs. Taylor betrachtete ihn aufmerksam. «Und wenn Sie kein Gespenst wären, junger Mann?»
Er lachte spitzbübisch. «Dann würde ich bestimmt eine Methode finden, die Kerzen so zu präparieren, daß sie im richtigen Moment ausgingen. Übrigens, wann war das, als Sie die Nonne erblickten?»
Mrs. Taylor dachte angestrengt nach. «Das ist schwer zu sagen», erklärte sie schließlich. «Es herrschte ein solches Durcheinander — Lord Paradine lag unter dem Sessel am Boden, diese unmögliche Mrs. Spendley-Carter hatten einen hysterischen Anfall, und Sir Richard rief immerzu, wir sollten Ruhe bewahren, obwohl ich doch gar nicht aufgeregt war.» Sie blickte Mr. Hero durchdringend an. «Wirklich gesehen habe ich die Nonne nicht. Es war so etwas wie eine Silhouette einer Nonne, etwas, was in der Dunkelheit wie eine Nonnenhaube aussah. Wie sollte man das auch mit Sicherheit feststellen, wenn nur noch zwei Kerzen neben der Musikgalerie brannten?»
Hero beugte sich eifrig vor. «Haben Sie zufällig einmal zur Musikgalerie hinaufgeschaut, bevor alle Kerzen verlöschten, ich meine, kurz nachdem die Erscheinungen ihren Anfang nahmen?»
«Ja», sagte Mrs. Taylor. «Als die Kerzen auf dem Tisch zu verlöschen begannen, blickte ich hinauf, um nachzusehen, ob die in den sechsarmigen Leuchtern zu beiden Seiten der Galerie auch ausgingen.»
«Und fiel Ihnen auf der Galerie etwas
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