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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Spuren ihrer Begegnung sorgfältig getilgt und ihr Make-up erneuert.
    «Da bist du ja, Liebste! Ich habe Mr. Hero getroffen und ihm zum Aperitif eingeladen. Du kommst gerade zurecht.» Hero schaute genau hin, wie er die drei Gläser füllte, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken und schalt sich einen mißtrauischen Narren. Er kam auf sein ursprüngliches Urteil zurück und dachte, der Major sei genau das, was er zu sein schien, nämlich ein dickköpfiger Esel.
    «Trinken wir», sagte der Major. «Wir freuen uns, daß Sie uns Gesellschaft leisten.» Er hob sein Glas und blickte über den Rand hinweg zuerst seine Frau und dann Hero an. «Zum Wohl!»
    «Prost», sagte Hero. Sie tranken. Es war guter Sherry. Hero warf Mrs. Wilson einen verstohlenen Blick zu. Sie lächelte und gab sich ganz unbefangen, doch in ihren Augen standen Angst und eine dringende Warnung.

    «Oh, kommen Sie! Kommen Sie schnell!» bat Noreen Mr. Hero und zerrte ihn an der Hand mit sich fort. Nun, da sie ihn endlich ganz für sich allein hatte, um mit ihm spazierenzugehen, wollte sie keine Minute länger warten. Es konnten so viele Dinge geschehen und ihn davon abhalten, sein Versprechen einzulösen. Sie wollte mit ihm außer Sicht sein, bevor ihre Eltern auftauchten oder etwas anderes seine Aufmerksamkeit erweckte.
    Sie trug einen karierten Faltenrock, einen blauen Pullover mit einer Jacke darüber und schwarze halbhohe Gummistiefel, wie Kinder sie für Spaziergänge auf dem Lande zu tragen pflegen.
    Hero ließ sich lächelnd mitzerren und lief neben ihr her, bis sie das Schloß hinter sich hatten, durch einen der Ausgänge in der Backsteinmauer, die den Park umgab, geschlüpft und am schilfreichen Ufer des Stoke-Flusses angelangt waren.
    Nun, da sie die Schminke abgewaschen hatte und das strähnige Haar unter der kleinen blauen Mütze hervorsah, fiel es Hero erneut auf, wie häßlich sie war. Doch während er noch ihre so wenig harmonischen Züge prüfte — die dunklen Augen, groß, aber leicht schielend, die zu lange Nase und den zu breiten Mund — , dachte er, daß sie als erwachsene Frau vielleicht einmal recht charaktervoll, offen und angenehm wirken könne. Die Stirn war wohlgeformt, das Kinn fest, die Sommersprossen würden allmählich verschwinden und die fahle Haut einen wärmeren Ton annehmen. Ja selbst die abstehenden Ohren könnten unter einer kleidsamen Frisur versteckt werden. Und das Haar würde sicher noch weicher und glänzender werden. Diese adoptierte Tochter unbekannter Eltern hatte von der Natur zwar keine Schönheit mitbekommen, aber in ihrem Innern steckte viel guter Wille, Energie und menschliche Wärme.
    Als sie so weit vom Schloß entfernt waren, daß sie niemand mehr sahen, ließ Noreen Heros Hand los und schritt zufrieden, anscheinend in ihre Gedanken versunken, neben ihm her. Am Flußufer angelangt, wo es zu entscheiden galt, ob sie nach links oder rechts gehen sollten, blickte sie plötzlich zu ihm auf und erklärte atemlos: «Ich liebe Sie.»
    «Ich danke dir, Noreen», antwortete Hero ernst. «Ich liebe dich auch.»
    Das häßliche kleine Gesicht strahlte. «Oh», rief sie, «wirklich? Wollen Sie mir einen Kuß geben?»
    Hero nickte, beugte sieb zu ihr nieder, legte den Arm um ihre mageren Schultern und küßte sie liebevoll auf die Wange. Darauf warf sie sich ihm an die Brust, klammerte sich an ihn und begann bitterlich zu weinen. Hero ließ sie gewähren, hielt sie in den Armen, und als ihre Mütze herunterfiel, streichelte er ihr Haar.
    Allmählich ließ ihr Schluchzen nach. Hero reichte ihr sein Taschentuch, und nachdem sie ihre Tränen getrocknet und sich gehörig geschneuzt hatte, fragte sie: «Wollen Sie auf mich warten, bis ich erwachsen bin, und mich heiraten?»
    «Vielleicht», antwortete Hero, «aber ich denke, du willst Krankenschwester werden?»
    Sofort ging eine Veränderung in ihr vor. Ihre kindliche Verliebtheit war nur oberflächlich, das andere aber reichte tiefer. Wieder traten ihr Tränen in die Augen. «Sie wollen es mir nicht erlauben», flüsterte sie. «Oh, wie ich sie hasse! Daddy sagt, ich darf nicht Krankenschwester werden, ich muß eine Dame werden. Und Mummy heult bloß immer.»
    Hero fragte: «Was hieltest du davon, wenn ich dir helfen würde, Noreen?»
    Das Kind starrte ihn ungläubig an und ließ sich plötzlich am Flußufer nieder. «Könnten Sie das?» rief sie. «Würden Sie das tun?»
    Hero holte seine alte Pfeife aus der Tasche und setzte sich neben sie. «Ich könnte es

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