Immer diese Gespenster
entgegnete Hero. «Aber wenn man den Beweis erbringen kann, daß jemand anderen Menschen gefährliche Streiche spielt und damit deren Gesundheit und Seelenruhe gefährdet, bietet auch eine Verleumdungsklage keinen Schutz.» Heros Stimme klang besänftigend und mitfühlend, als er fortfuhr: «Es tut mir aufrichtig leid, Sir, aber wie Sie von Lord Paradine sagten, sind das die Risiken, denen man sich in gehobener Stellung aussetzt.»
Spendley-Carter war nun ernsthaft beunruhigt. «Was, zum Teufel, wollen Sie damit sagen?» schrie er. «Heraus mit der Sprache!»
«Es ist ein geradezu klassischer Fall», erklärte Hero gleichgültig. «Bei jedem Auftreten von Poltergeistern sucht man zuerst nach einem halbwüchsigen Kind, gewöhnlich einem ungeliebten oder kurz vor der Reife stehenden Mädchen; es kann aber auch ein rachsüchtiges Dienstmädchen oder eine neurotische, hysterische Frau sein.» Er hielt inne und betrachtete Spendley-Carter ernst. «In Ihrer Familie waren gleich zwei Verdächtige. Neben dem im Entwicklungsalter stehenden Kind kommt auch sehr häufig eine neurotische und enttäuschte Frau als Urheberin solchen Spuks in Frage. Es entschädigt sie irgendwie für erlittene Demütigungen.»
Spendley-Carter schien wie ein Ballon anzuschwellen. Er wurde dunkelrot, und seine Stimme überschlug sich fast. «Bei Gott! Sind Sie sich eigentlich bewußt, daß Sie von meiner Familie sprechen? Ich könnte Ihnen jeden Knochen im Leibe...»
«Ja», antwortete Hero. «Ich bin leider dazu gezwungen. Sie kennen ohne Zweifel die Rolle, welche die moderne Psychiatrie in der neuesten Poltergeist-Forschung spielt. Wie diese kleinen Kunststücke vollbracht werden, ist uns längst bekannt, was uns heute interessiert, ist nur noch, warum sie ausgeführt werden. Nehmen wir zum Beispiel die kleine Noreen — ich habe mehrere lange Gespräche mit ihr geführt...»
«Sie haben mit ihr gesprochen?» kreischte Spendley-Carter. «Eine unerhörte Frechheit! Wenn ich noch ein Wort davon...»
«Sie sind selbstverständlich der Hauptschuldige an dieser Situation, und ich werde das in meinem Artikel gebührend würdigen», fuhr Hero ungerührt fort. «Aber der Umstand, daß Noreen ein adoptiertes Kind ist, spielt auch eine Rolle. Es eröffnen sich da recht interessante psychologische Aspekte: der Vater ein Tyrann und eitler Schwätzer, der seine Frau einschüchtert und sein Adoptivkind, das sich zu einem häßlichen kleinen Entlein entwickelt hat, schlecht behandelt. Die Tochter, in ihrer für dieses Alter typischen Haßliebe zum Vater, wendet sich gegen die Mutter, weil sie dem herrschsüchtigen Mann keinen Widerstand leistet. Mit dem ersten Erscheinen des angeblichen Poltergeistes im Westflügel, der ihre Mutter so sehr erschreckt, beschließt sie, selber ein wenig Gespenst zu spielen. Nachdem sie einmal angefangen hat, lernt sie rasch dazu. Noreen ist ein aufgewecktes, kluges Kind. Das sind alle Poltergeist-Kinder.»
«Verflucht und zugenäht!» quietschte Spendley-Carter. «Ich werde...» Doch er hielt mitten in seiner Drohung inne, da ihm dämmerte, daß Hero von der Angelegenheit redete, als handele es sich um eine feststehende Tatsache. Er senkte seine Stimme, aber seine feuchten Augen waren von Feindseligkeit, Wut und Argwohn erfüllt. «Welche Beweise haben Sie außer den Behauptungen eines verlogenen Kindes? Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, es werde ihr jemand Glauben schenken. Kinder behaupten oft merkwürdige Dinge. Sie können ihr nichts nachweisen.»
«Darauf wollte ich eben zu sprechen kommen», entgegnete Hero. «Sehen Sie hier.» Er öffnete eine Schublade, nahm drei Fotografien heraus und warf sie auf den Schreibtisch. «Es soll nämlich ein illustrierter Aufsatz werden. Ein unglaubliches Glück, finden Sie nicht?»
Spendley-Carter starrte die Bilder anfänglich verständnislos an; als er aber erfaßte, was sie darstellten, wurde er so blaß, wie er vorher rot gewesen war. «Was, zum Teufel, soll denn das sein?» stotterte er.
«Ein Poltergeist-Kind am Werk», erklärte Hero. «Wahrscheinlich die ersten und einzigen Aufnahmen dieser Art. Sehr schwierig zu fotografieren, denn wenn Kinder sich erst dem Poltergeist-Spiel zuwenden, sind sie geschickt wie die Affen dabei. Sie wissen ganz genau, wann sie werfen müssen. Bitte beachten Sie, wie Noreen vor dem Spiegel sitzt, in dem sie uns beobachteten kann. Sie wartet, bis niemand auf sie achtet, und schwupp — schon saust das Huhn durch die Luft.»
Spendley-Carter
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