Immer hab ich dich geliebt
ginge?”
“Natürlich nicht.” Er schaute besorgt drein. “Wolltest du nicht zum Arzt, damit er dir etwas verschreibt, was dich wieder aufmuntert?”
“Er sagte, ich brauche Vitamine”, log sie glatt. “Ich hab' mir welche besorgt, aber es braucht seine Zeit, bis sie wirken. Er meinte auch, ich solle mehr essen.”
Ihr Vater betrachtete sie immer noch mit gefurchter Stirn. “Nun gut. Aber wenn es dir nicht bald besser geht, solltest du dich von ihm gründlich untersuchen lassen. Es ist ungewöhnlich für eine junge Frau, ständig so müde zu sein.”
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Um keinen Preis durfte er den Verdacht bekommen, dass sie wirklich sehr krank war.
“Das mache ich”, versicherte Antonia ihm und stand vom Tisch auf. “Ich wasche schnell ab und dann lass ich dich bei deinem Fernseher.”
“Oh, ich mache mir nichts aus den Sendungen”, sagte er. “Ich lese lieber die Abendzeitung. Ich hab' das Ding nur wegen der Geräuschkulisse an.”
Antonia lachte. “Das hab ich in Tucson auch getan”, gestand sie. “Es ist ein Ersatz für Gesellschaft.”
“Nun, mir ist es doch lieber, du bist hier”, sagte Ben. “Ich bin froh, dass du heimgekommen bist, Antonia. Es ist nicht mehr so einsam.”
Bei der Freude, die er zeigte, wurde Antonia das Herz schwer. Er hatte ihre Mutter verloren, und nun würde er auch sie verlieren. Wie würde er damit fertig werden? Antonia biss sich auf die Lippe. Er würde sein einziges Kind verlieren, und sie war zu feige, ihn auf den Verlust vorzubereiten.
Er tätschelte ihre Schulter. “Tu nicht zu viel hier. Leg dich früh zu Bett. Ich räume später hier auf.”
“Ich erledige das schon”, protestierte sie lächelnd. “Wir sehen uns morgen früh. Gute Nacht, Daddy.”
“Gute Nacht, Antonia.” Er ging ins Wohnzimmer und überließ sie dem Abwasch.
Nachdem sie damit fertig war, ging sie zu Bett. Aber sie fand keinen Schlaf. Sie lag wach, sah Maggie Longs verdrossenes Gesicht mit den hasserfüllten Augen vor sich und Powells forschenden Blick. Beide würden es nur allzu gern sehen, wenn sie nach Arizona zurückkehrte. Und es sah ganz danach aus, dass beide vereint ihr Bestes tun würden, um ihr das Leben miserabel zu machen, wenn sie hierbliebe.
Sie drehte sich mit einem Seufzer auf die Seite. Mit achtzehn war ihr das Leben so unkompliziert erschienen, dachte sie wehmütig. Sie war verliebt gewesen und hatte sich auf die Ehe und auf Kinder gefreut.
Schmerz überwältigte sie. Sie schloss die Augen. Maggie hätte ihr Kind sein können, ihre Tochter. Vielleicht hätte ihre Tochter blondes Haar gehabt, wie sie selbst, und graue Augen. Und ihr Kind wäre ein Wunschkind gewesen und sehr geliebt und umsorgt. Es würde kein missmutiges Gesicht haben und keine hasserfüllten Augen.
Powell hatte etwas über Maggie gesagt … was war es gewesen? Dass Maggie einen höheren Preis bezahlt habe als einer von ihnen. Was hatte er damit gemeint? Ganz sicher machte er sich etwas aus seinem Kind und kümmerte sich um sein Wohlergehen.
Nun, es war nicht ihr Problem, entschied sie schließlich. Und sie würde es nicht zulassen, dass es zu ihrem Problem wurde.
Die größte Überraschung erwartete Antonia am Montagmorgen. Maggie schob ihr ein zerknittertes, beflecktes Papier über den Tisch und ging gleich zurück auf ihren Platz, ohne Antonia auch nur einmal anzublicken. Das Blatt war unsauber, aber es enthielt die Hausarbeit. Und die Arbeit war fehlerfrei.
Antonia sagte kein Wort. Es war ein kleiner Sieg … gewissermaßen. Sie gab der Arbeit die Note Eins.
Es war während der großen Pause, als Julie im Klassenraum blieb, um Antonia eine Neuigkeit zu erzählen.
“Mein Daddy erinnert sich an Sie aus der Schulzeit, wussten Sie das? Er sagte, dass Sie ein süßes Mädchen waren, und dass Sie scheu waren. Waren Sie das wirklich?”
Antonia lachte. “Ich fürchte, ja. Ich erinnere mich auch an deinen Vater. Er war der Clown in der Klasse.”
“Dad? Echt?”
“Echt. Aber sag ihm nicht, dass ich dir das erzählt habe, okay?”, neckte sie das Kind und lächelte.
Nicht weit von ihnen entfernt stand Maggie und starrte auf sie beide. Maggie war, wie gewöhnlich, allein. Sie vertrug sich nicht mit den anderen Kindern. Die Mädchen hassten sie, und die Jungs machten sich über ihre dünnen Beine lustig, und das tat wirklich sehr weh. Julie war die Einzige, die sonst zu ihr gehalten hatte. Aber nun war sie lieber mit der Lehrerin zusammen als mit ihr. Und auch das
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