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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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zweiundzwanzig Jahre alt. Nach Androhung der Abschiebung freiwillig ausgereist am 23. Juni 2001 um 10.35 Uhr ab Tegel über Frankfurt/Main nach Mexiko City. Grund der angedrohten Abschiebung: Schwarzarbeit als Friseurin. Jemand hatte Anzeige erstattet, eine Frau aus Friedenau. Drei Tage vor ihrer Ausreise. Die Kollegen von der Ausländerbehörde konnten auch anders, wenn nicht gerade Mittagspause war: Eiligkeit Unrecht Unfreiheit Blühe Deutsches Vaterland. Olivia Gutierrez hatte ein Studentenvisum gehabt. Und damit durfte man nur an der Uni arbeiten. Sie hatte Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität studiert. Zwei Semester lang waren vorgesehen gewesen, es waren vier geworden. Bevor das fünfte begann, das Wintersemester 2001/02, hatte sie das Land verlassen. Heimatuniversität war CUCEI, was immer das auch bedeutete.
    Mehr war nicht da, der Vorgang umfasste ein Blatt. Der Nächste, der diese gastliche Stadt im Juni 2001 hatte verlassen müssen, war ein Mann aus Tunesien.
    Stiesel drückte auf den weißen Knopf.

32
    Im Schilf saß ein Frosch und quakte. Der Teich im Brixplatz war vollkommen vermoost. Er lag an der tiefsten Stelle des kleinen Parks, der in einer ehemaligen Kiesgrube angelegt worden war. Pachulke war die vier Stationen vom Sophie-Charlotte-Platz bis Neu-Westend gelaufen. Ein Bus war ihm gerade vor der Nase weggefahren, und er nutzte die Zeit und spazierte einmal durch den Park.
    Hier am Brixplatz begann die Tour der Buslinie 104 quer durch die Stadt bis zur Tunnelstraße in Stralau, wo der Busfahrer Grellert Pause gemacht hatte, als die Zeugin Jurgeleit die Leiche von Verena Adomeit gefunden hatte. Weil Verena Adomeit in den Tagen vor ihrem Tod ausnahmsweise mit dem Bus gefahren war, hatte Pachulke beschlossen, die beiden Routen, die in Frage kamen – den 104er und den 347er –, von Anfang bis Ende abzufahren. Sie fuhr am Morgen mit dem Bus 104 von der Haltestelle Columbiadamm in der Nähe der Fidicinstraße auf direktem Weg zum Büro in der Joachim-Friedrich-Straße und am Abend wieder zurück. Am Tag ihrer Ermordung war sie mit dem Bus 347 von der Besichtigung eines Hauses in der Simplonstraße in Friedrichshain nach Stralau gefahren. Außerdem war auch die Leiche von Melanie Schwarz im Juni 2001 in der Nähe einer Busendhaltestelle gefunden worden. Das war mehr als vage, aber da sie sonst nichts hatten außer der Tatsache, dass die beiden Frauen nach ihrem Tod geschminkt worden waren, sprach nichts dagegen, sich ein paar Stunden durch die Gegend schaukeln zu lassen.
    Schroff erhoben sich vor ihm die künstlich angebrachten Felsen, die den Rüdersdorfer Kalksteinbruch symbolisierten. Die Pflanzen Brandenburgs wuchsen in dem Park, anschaulich und kompakt zusammengefasst auf zwei Hektar für den Städter der zwanziger Jahre. Neunzig Jahre später begnügte sich der Städter nicht mehr mit staatlich gestalteten Parkanlagen, sondern grub nachts die Erde an Straßenbäumen um, pflanzte Stiefmütterchen und Sonnenblumen und kämpfte gegen sinnlose Betonflächen und Tristesse. Garten-Guerilla hieß das.
    Wenn sich hier nicht zufällig eine alte Kiesgrube befunden hätte, dann wäre der Park so flach wie das soziale Gefälle hier in der Stadt. Nichts mit:
Geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brüder
. Im Grunewald gab es Villen mit großen Gärten und breiten Auffahrten und Chauffeuren und illegal beschäftigten Dienstmädchen aus Peru oder Litauen. Und im Wedding kroch die Armut durch die Ritzen schlecht isolierter Sozialwohnungen. Aber hier im Westend standen vor allem Mietshäuser wie im Rest der Stadt, und Kleinwagen, keine Limousinen parkten am Straßenrand. Viele Anwohner fuhren mit dem Bus. Sonst hätte man die Linie 104 schon längst eingestellt oder verkürzt.
    Pachulke hielt schnaufend oberhalb der Kalksteinwand und warf einen Blick zurück zu dem kleinen, vermoosten Tümpel, der vom kräftigen Grün ringsum fast verschluckt wurde. Wer hier hoch hinauswollte, der konnte den Berg aus Kriegsschutt im Volkspark Friedrichshain besteigen oder auf dem Fernsehturm einen Kaffee trinken. Die Stadt als solche war eine der besten Erfindungen in der Geschichte der Menschheit. Und diese Stadt hatte immer noch keine rechte Lust, reich zu werden. Lieber blieb sie bewohnbar.
    Pachulke spazierte zur Haltestelle, genauer gesagt waren es zwei Haltestellen: eine Ruhehaltestelle, bei der ein Schild den potentiellen Fahrgast belehrte:
Bitte beachten Sie die Ruhezeiten des Fahrers; z
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