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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Zufallsbekanntschaften.
    Die Kollegen und Kolleginnen hatten ausgesagt, für eine Anfängerin hätte sich Melanie gut geschlagen. Lernwillig, einen guten Umgang mit den Gästen. Lebenslustig sei sie gewesen. Männerbekanntschaften, ganz bestimmt gab es da einige. Sie war aus dem Käfig der Provinz entkommen und genoss diesen Sommer mit jeder Faser. Bis sie erschlagen worden war.
    In der Akte waren auch zwei Postkarten an Melanies Mutter in Kopie:
Liebe Mutter, mir geht es gut
. Eine vom Brandenburger Tor bei Nacht, die andere eine Fotomontage mit Pandabären und Palmen vor der Mauer.
    Zabriskie sah Stiesel noch, wie er im Vernehmungsraum verschwand. In ihrem Büro fand sie Dorfner, der mit einer Akte auf den Knien vor dem kleinen Lautsprecher saß, der an der Verbindungswand zwischen Dorfners und Zabriskies Büro und dem Vernehmungsraum stand.
    »Was geht denn hier ab?«, fragte Zabriskie.
    »Stiesel vernimmt den Mörder, den ich gefangen habe«, sagte Dorfner und ein Grinsen rutschte über sein Gesicht.
    »Wo ist Pachulke?«, fragte Zabriskie.
    »Was willst du denn von ihm?«, fragte Dorfner.
    »Ich will, dass er mich nicht findet.«
    »Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Ich habe hier geschlafen, um den Mörder zu bewachen.« Dorfner trank einen Schluck Wasser. »Du kannst ja runter zu Bördensen und Stiesel gehen.«
    »Danke«, sagte Zabriskie und ging raus. Hatte sie sich gerade bei Dorfner bedankt? Sie wurde alt, sie war verwirrt. Vor allem aber hatte sie eine Idee. Als die Nacht am tiefsten war, hatte sie einen Geistesblitz gehabt. Sie kannte vielleicht jemanden, der ihnen mit der Kontaktlinse weiterhelfen konnte. Der Mann hieß Haeckel und war forensischer Mediziner und Augenexperte. Vor einigen Jahren hatte Zabriskie regelmäßig seine Veranstaltungen besucht. Aber dann war etwas schiefgegangen. Das Präsidium sollte ein System von Irisscannern installieren, und Professor Haeckel war dafür verantwortlich. Die Sache zog sich hin. Alle waren genervt. Schließlich meldeten sich zwei Beamte freiwillig, Nothoff und Speckler, um das Gerät zu testen. Haeckel wollte nicht, aber schließlich gab er dem Druck nach. Das Ende vom Lied war, dass das rechte Auge bei Speckler und Nothoff dauerhaft geschädigt und Haeckel in Ungnade gefallen war. Vor allem Pachulke war schlecht auf ihn zu sprechen. Das lag zum einen an Haeckels Benehmen vor dem Unfall – der Mediziner nährte ständig den Genieverdacht gegen sich selbst – und zum anderen daran, dass Pachulke einer derjenigen gewesen war, die sich nichts sehnlicher gewünscht hatten, als dass das neue System installiert wurde. Ständig waren Bauarbeiter im Haus gewesen. Die Netzhäute aller Mitarbeiter im Polizeipräsidium waren insgesamt dreimal für die Datenbank eingescannt worden.
    Jetzt war Haeckel schon lange weg, und sie hatten eine Kontaktlinse der ermordeten Frau gefunden.
    Zabriskie bewegte die Maus von Stiesels Rechner. Von dem Müllberg auf Bördensens Schreibtisch hielt sie sich fern. Um die Dinge zu vereinfachen, hatten alle Ermittler das gleiche Passwort für den dienstlichen Bereich. Ob Dorfner Snuff-Videos oder medizinische Lehrfilme in seinem Privatbereich abgelegt hatte, wollte Zabriskie gar nicht wissen.
    Als Erstes machte sie eine Anfrage zur Meldeadresse. War Haeckel womöglich gestorben? Das glaubte Zabriskie nicht. Haeckel war zäh und hatte die Situation mit einer bewundernswerten Sturheit durchgestanden. Der saß irgendwo und untersuchte immer noch Augäpfel, auch wenn ihm keiner mehr zuhörte.
    Als sie ihn nicht unter den Todesmeldungen der letzten fünf Jahre fand, war sie trotzdem froh. Wenn Haeckel nicht tot und nicht gemeldet war, gab es noch zwei Möglichkeiten. Entweder Haeckel hatte die Stadt verlassen. Aber das war völlig ausgeschlossen.
Ich bin hier geboren, ich werde hier sterben und nichts bringt mich hier weg
, hatte er am letzten Arbeitstag gesagt. Zabriskie hatte ihn gefragt, wo er jetzt hinwolle.
Das wird sich weisen
, hatte Haeckel gesagt.
Wenn Sie mich brauchen, werden Sie mich finden, Zabriskie
.
    Die Erinnerung an diesen letzten Satz zerstreute Zabriskies Zweifel, ob es eine gute Idee war, Haeckel mit der Kontaktlinse zu konfrontieren.
    Wenn er nicht tot (widerlegt) oder ausgewandert (logisch ausgeschlossen) war, dann musste Haeckel auf einer der Halden leben. Wer dort lebte, musste nicht polizeilich gemeldet sein. Trotzdem gab es dort auch nicht mehr Kriminalität oder Kriminelle als im Rest der Stadt. Die Leute, die die

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