Immer verlasse ich dich
Durchsuchungsbefehl ausgestreckt
wird.
Cecchi reicht ihn rüber. Die Hand wird
zurückgezogen, und ein Jahr später wird die letzte Kette entfernt und Pesh
zieht die Tür für uns auf.
Ich folge Cecchi in das übelriechende
Apartment. Es ist fast so schlimm wie im Korridor, hier stinkt es jedoch nach
Fisch. Verdorbenem Fisch.
Al, alias Alice Pesh, ist ein wahrer
Klotz, so riesig, daß er den Blick auf den Raum hinter ihm versperrt. Er trägt
ein dreckiges Achselhemd und einstmals weiße, jetzt gelbe Boxershorts. Seine
Arme sind behaart und haben den Umfang meiner Taille. Unter den Haaren befinden
sich nicht zu identifizierende Tätowierungen. Die Beine sind noch stärker
behaart, als trage er unter den Shorts eine schwarze Strumpfhose. Die Beine
haben einen größeren Durchmesser als Cecchis Körper, und sie münden in
gigantische Füßen mit langen, gebogenen braunen Zehennägeln.
Der Gipfel aber ist das Gesicht. Der
Kopf hat Kürbisgröße und wird umrahmt von fransigen Strähnen farbloser Haare.
Seine Gesichtszüge gehen in dem Übermaß von Fleisch unter. Blaue Augen,
Reißnägeln ähnlich, spähen uns oberhalb einer Nase entgegen, die offensichtlich
schon mehrmals gebrochen war und durch Wangen in Melonengröße klein erscheint.
Hängebacken schwingen bei jeder Bewegung, als führten sie ein Eigenleben. Doch
am widerlichsten ist Peshs Mund. Die Lippen haben einen unnatürlichen Glanz,
sie sind wahrhaft riesig und ähneln Gummischläuchen.
Pesh wirkt furchteinflößend, und ich
bin froh, daß ich nicht allein bin. Natürlich wäre ich zu alt für ihn, zumindest
in dieser Hinsicht mache ich mir keine Sorgen. Als ich mir dieses Monster in
der Nachbarschaft eines Kindes vorstelle, kommt mir die Galle hoch.
»Was wollen Sie?«
Cecchi geht auf ihn zu, und Pesh weicht
zurück, bis wir alle drei uns in dem Raum befinden, der das Wohnzimmer
darstellen soll. Er enthält einen kaputten Armsessel und eine schmutzige
Bettcouch mit verhedderten grauen Laken. Die obligatorischen leeren
Essensschachteln vom Chinesen schmücken den Raum im Verein mit zerquetschten
Bierdosen und ausgedrückten Zigarettenkippen. Ich merke bald, daß der
Fischgeruch von Pesh selbst ausströmt. Ich muß würgen.
»Was wissen Sie über Wally Faye?« fragt
Cecchi.
»Über wen?«
»Sparen Sie sich die Mühe, Pesh, wir
wissen, daß Sie ihn kennen.«
»Faye«, sagt er, als sei er imstande zu
denken. »Oh, ja, Sie meinen Fingers?«
»Ja, Fingers.«
»Hab ihn zwei, drei Monate nicht
gesehen. Hat Fingers Probleme oder so?« sagt er, als erkundige er sich nach
einem Musterknaben.
»Fingers ist tot.«
»Tot?«
»Was hatte Faye vor, Pesh?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Sie wurden Anfang dieser Woche mit ihm
zusammen gesehen«, lügt Cecchi.
Die Reißnägel-Augen verengen sich zu
Schlitzen. »Sagt wer?«
»Eine zuverlässige Quelle.«
»Dann war’s ein mieser Lügner. Ich hab
Faye seit zwei, drei Monaten nicht gesehen.«
»Wer dann?«
Pesh denkt nach. Das sieht so ähnlich
aus, als wenn ein Kind zur Toilette gehen muß. »Wer dann was?«
»Wer hat ihn gesehen?«
»Woher soll ich das wissen?« fragt er
beleidigt.
»Komm schon, Alice, du weißt doch
alles, was so passiert.«
Jetzt ist er geschmeichelt. Ich merke
es daran, wie seine pinkfarbenen Gummischlauch-Lippen nach oben gehen und sich
Speichel in seinen Mundwinkeln bildet.
»Stimmt«, sagt er. »Vielleicht hab ich
was gehört.«
Cecchi greift in seine Tasche, holt
einen Zwanziger heraus, reicht ihn Pesh, der ihn in seiner Hand verschwinden
läßt.
»Wer ist die?« erkundigt er sich nach
mir.
»Laurano«, sagt Cecchi.
Pesh akzeptiert das als Erklärung,
nickt, sein Gesicht wabbelt dabei. »Kennen Sie Malcolm?«
»Lieface Malcolm?«
Malcolm trägt diesen Spitznamen, weil
er ein pathologischer Lügner ist. Ein echter Verlierer ist er auch. Was immer
einem zugestoßen sein mag, ihn hat es längst erwischt, nur noch heftiger.
»Er hat sich mit Fingers rumgetrieben.«
Lieface und Fingers, denke ich. Nettes
Duo.
»Was wissen Sie über den Mord an Megan
Harbaugh?«
»Wer soll’n das sein?«
»Das Geschäft auf der Greenwich Avenue.
Jemand hat die Besitzerin erschossen.«
»Weiß nix darüber.«
»Nie ihren Namen gehört?«
»Kommt mir bekannt vor. Kann ich nicht
einordnen. Fragen Sie Lieface.«
»Eine Idee, wo ich ihn finden kann?«
»Schon möglich.«
»Hören Sie zu, Pesh«, sagt Cecchi
drohend. »Bisher habe ich von dem Durchsuchungsbefehl keinen Gebrauch
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