Immer wenn er mich berührte
Anzüge bitte nicht, alles andere können Sie einpacken.«
Nebenan plätscherte Gaby in der Badewanne. Es war deutlich zu hören. Heute früh war sie plötzlich und ganz selbstverständlich in Berlin aufgetaucht. »Ich kann's ohne dich höchstens drei Tage aushalten«, hatte sie gesagt. Und das schlimme war, ihm ging es genauso. Er war froh, daß sie da war. Und selbstverständlich würde sie die Nacht über hierbleiben.
Worauf sollte er Rücksicht nehmen?
Janine war tot. Aus der Entfernung und bei ruhiger Überlegung hatte die unheimliche Begegnung in München ihren Schrecken verloren. Entweder hatte ihn eine gewisse Ähnlichkeit genarrt oder es war überhaupt eine Täuschung gewesen.
Die Männer hier im Schlafzimmer arbeiteten ihm viel zu langsam. Stück für Stück nahmen sie vom Kleiderbügel, legten alles sorgfältig zusammen und verstauten es. Er wußte bei jeder Bluse, wo sie gekauft war, er hätte bei jedem Kleid angeben können, wann Janine es zuletzt getragen hatte. Aber es machte ihm nichts mehr aus. Es waren Erinnerungen, die nicht mehr weh taten.
»Dürfen wir das Hochzeitskleid auch mitnehmen?« fragte die Schwester plötzlich.
Einen Moment zögerte er. Dann nickte er.
»Die Motten würden es nur auffressen«, bestätigte die Schwester seinen Entschluß. »Wir aber können damit einem jungen Mädchen eine große Freude machen. Sicher ist das auch im Sinne Ihrer verstorbenen Frau.«
»Sicher«, antwortete er.
Die Männer trugen alles aus dem Haus, was an Janine erinnerte. Und Jürgen war irgendwie froh darüber. Denn in diesen Räumen hatte Janine noch immer gelebt. Erst jetzt schien sie endgültig aus seiner Welt verbannt zu sein.
»Gott vergelte es Ihnen«, sagte die Schwester an der Gartentüre. Als er in das Wohnzimmer zurückkehrte, saß Gaby in seinem weißen Bademantel auf der Bank neben dem Kamin und betrachtete nachdenklich ein Foto von Janine.
Jürgen nahm es ihr aus der Hand und legte es auf den Bücherbord.
Gaby beobachtete ihn. »Manchmal wünsche ich mir, ich hätte sie kennengelernt.«
»Warum?«
»Weil ich alle Frauen kennenlernen möchte, die du einmal geliebt hast.«
»Komm, trink lieber was«, sagte er und reichte ihr ein Whiskyglas, »laß uns lieber von unserer Liebe reden.«
Gaby zog ihn zu sich herab. »Du hast mir zum Beispiel noch nicht gesagt, daß du mich heiraten möchtest.«
»Dein Vater wird einen schönen Schreck kriegen.«
»Er weiß es schon«, lachte sie.
»Na, und?«
Sie zuckte die Achseln. »Was sollte er gegen dich haben, Liebling?«
Als er sie küssen wollte, stemmte sie sich ein bißchen gegen ihn. »Vergiß nicht, die Vorhänge zuzuziehen, Liebling.«
Sie machte den Tag zur Nacht, die Liebe zur Sünde. Jürgen fühlte zum erstenmal dunkel, daß er ihr nie mehr entrinnen würde. Diese braune, glänzende Haut – immer würde er sie streicheln wollen, diesen Körper lieben, diesen Mund küssen, sein Gesicht in diese duftenden Haare vergraben …
Das Telefon läutete in Abständen. Hartnäckig immer wieder. Als er schließlich doch den Hörer abnahm und sich meldete, wurde er schon bei den ersten Worten blaß.
»Hier spricht Paul Karsch aus München. Wir haben die Dame gefunden, Herr Siebert …«
»Sehr schön«, sagte er unsicher. Gaby stand keine zwei Meter von ihm entfernt.
»… die Dame heißt Laurent. Fräulein Laurent. Sie wohnt im Hotel Sanssouci in der Beethovenstraße, Zimmer 5, erster Stock. Der Photographie nach dürfte es keinen Zweifel geben, daß sie es ist …«
Jürgen hatte eine Menge Fragen auf den Lippen. Aber er wollte auf keinen Fall, daß Gaby Verdacht schöpft. Deshalb stellte er nur in geschäftsmäßigem Ton fest: »Sie haben vorzüglich gearbeitet, Herr Karsch. Ich bedanke mich. Die Rechnung schicken Sie bitte an mein Büro.«
Er hängte ein. Es kostete ihn Anstrengung, sich nichts anmerken zu lassen.
Gaby täuschte er wohl an diesem Abend. Aber sich selbst nicht. Als sie längst eingeschlafen war, müde und glücklich, sich keiner Gefahr bewußt, da quälten ihn noch die bohrenden Gedanken.
Wer war Fräulein Laurent?
Um das zu ergründen, flog er zwei Tage später heimlich nach München. Niemand wußte von dieser Reise.
Erst um halb zehn betrat er deshalb mit einem Handkoffer das Hotel in der Beethovenstraße.
»Siebert«, stellte er sich vor, »ich habe mich angemeldet.«
»Ja, richtig, Ihre Zimmernummer ist 7. Erster Stock. Unsere warme Küche ist leider schon geschlossen, aber wenn es etwas Kaltes sein
Weitere Kostenlose Bücher