Immer wenn er mich berührte
nehme mir später ein Taxi zum Flughafen.«
»In Ordnung.«
Der Mann verschwand.
Jürgen suchte eine Telefonzelle, schrieb sich aus dem Telefonbuch ein paar Nummern von Detektivbüros heraus. Es klappte gleich bei der ersten Nummer.
Zwanzig Minuten später saß er in einem bescheidenen Büro dem Detektiv Paul Karsch gegenüber, einem salopp gekleideten Herrn, den er höchstens auf achtundzwanzig schätzte.
Jürgen entnahm seiner Brieftasche ein Foto von Janine und schob es dem Detektiv über den Schreibtisch zu.
»Ich möchte diese Frau finden«, sagte er.
»Wo soll sie denn sein?«
»In München. Vor einer knappen Stunde habe ich sie in der Prinzregentenstraße, etwa auf Höhe des Eisstadions, vom Auto aus flüchtig gesehen. Bis mein Chauffeur anhielt, war sie verschwunden.«
»Und wie heißt sie?«
Jürgen wich dem Blick des Detektivs nicht aus. »Ich weiß keinen Namen, Herr Karsch, ich weiß nur, daß sie so aussieht.«
»München ist zwar ein Dorf«, lächelte Paul Karsch, »aber es hat doch mehr als eine Million Einwohner. Das Bild ist zum Glück recht scharf … sie ist blond, nicht wahr?«
»Ja.«
»Was hat sie denn angehabt, als Sie sie vorhin sahen?«
»Einen blauen Mantel.«
»Wie alt?«
»Siebenundzwanzig.«
»Könnte sie in einem Hotel abgestiegen sein?«
»Möglich«, antwortete Jürgen.
»Ist sie ledig oder verheiratet?«
Die Fragen begannen ihm auf die Nerven zu gehen. »Weiß ich auch nicht. Ich möchte auch nichts über sie herausbringen. Sie sollen sie nicht beobachten, Sie brauchen nicht ihre persönlichen Verhältnisse zu erforschen, ich will nur ihre Adresse. Alles weitere besorge ich selbst.«
»Gut. Nur ihre Adresse. Und wo kann ich Sie erreichen?«
Jürgen gab ihm seine Visitenkarte. »Entweder im Büro oder zu Hause. Sonst weiß meine Sekretärin Bescheid.«
Jürgen Siebert flog zwei Stunden später nach Berlin. Der Detektiv Paul Karsch ließ das Photo vervielfältigen und machte sich mit seinen Leuten auf die Suche nach einer unbekannten Blondine.
Als Janine aus der dritten hypnotischen Sitzung aufwachte, blieb sie blaß und erschöpft auf der Couch liegen. Heute war es anders als früher. Heute brauchte sie nicht ängstlich den Arzt zu fragen: »Was war los mit mir, Doktor?«
Heute wußte sie es.
Dr. Sartorius saß auf einem Stuhl vor ihr und sah sie ruhig an.
»Sie wissen, was Sie erlebt haben, Janine, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete sie leise, »meine Hochzeit.«
Nur eine Uhr tickte im Zimmer. Sonst war es still. Kein Geräusch drang von draußen herein.
Janine schloß die Augen. Ihr Gesicht spiegelte Hoffnung, Furcht und Verwirrung wider. Sie sprach mehr zu sich selbst als zu dem Arzt. »Ich bin also verheiratet.«
Dr. Sartorius berichtigte sie. »Halten wir uns korrekt an das, was Sie im Unterbewußtsein wiedererlebt haben – das war die Zeremonie einer kirchlichen Trauung.«
Janine setzte sich auf. »Doktor«, stieß sie erregt hervor, »das darf doch gar nicht wahr sein, daß ich ganz genau den Altar gesehen habe, daß ich die Worte des Pfarrers gehört habe, das Läuten der Glocken, daß ich meine Tränen gespürt habe, die Hand, die mir den Ring ansteckte, aber den Mann, meinen Mann, nein, den habe ich nicht gesehen. Ein Schatten war das nur, ein Schatten neben mir, glauben Sie mir, ich habe mich angestrengt …« – sie hob beschwörend ihre Hände – »aber ich konnte ihn nicht sehen, nicht sein Gesicht, nicht mal seinen Anzug.«
Janine zitterte. Ihr Gesicht war schweißbedeckt.
»Verstehen Sie denn, wie mir zumute ist, Herr Doktor? Ich habe geheiratet, ich habe eine Ehe geschlossen – und weiß nicht mit wem? Da muß doch der Teufel Regie geführt haben …«
Dr. Sartorius griff nach ihrer Hand. »Ihr Unterbewußtsein hat Regie geführt, Janine, und dieses Rätsel erlebe ich oft hier in meiner Praxis. Wo die Intelligenz im Gehirn ihren Sitz hat, das wissen wir. Durch einen chirurgischen Eingriff können wir aus einem Genie einen Trottel machen. Aber wo die Schichten des Unterbewußtseins existieren, wo das zweite, unheimliche Ich des Menschen sitzt – darüber fehlt uns jede Vorstellung.«
Janine schwieg.
»Hypnose ist ein Vorstoß in diese Schichten«, fuhr der Arzt fort, »ein Versteckspiel, wenn Sie so wollen, ein Versuch, verschollene, vergessene oder verdrängte Dinge wieder ans Tageslicht zu fördern.«
»Und wenn das Versteckspiel mißlingt?« fragte Janine.
Dr. Sartorius begegnete ihrem Blick. »Vergessen Sie nicht, daß wir
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