Immer wieder Samstag Reloaded
wie die schlechte Karikatur eines durch und durch sadistischen Mannes, der Frauen wie Abschaum behandelte. Das Risiko, zu ihm verbannt zu werden, konnte ich nicht eingehen, unter keinen Umständen!
Also beschloss ich, Tristan nicht einzuweihen, schon weil ich eine weitere Demütigung nicht aushalten würde. Ich war mit meinen Kräften am Ende. Im Grunde wollte ich mich irgendwo einrollen und schlafen. Mich in eine Traumwelt flüchten, wo alles angenehm und friedlich war, nicht so kalt und dunkel wie mein Leben. Dennoch kam ich nicht umhin, mich zu fragen, warum ich und er nicht einfach ein ganz normales Liebespaar sein durften. So viel Glück war mir zuteilgeworden, als wir zusammengekommen waren. Aber mit ihm hatte mich auch die Gunst des Schicksals verlassen. Nun schien meine glückliche Welt wie ein Kartenhaus einzustürzen, um alles Positive, was mir noch geblieben war, zu begraben.
Die laut tickende Uhr über der Tafel erinnerte daran, dass ich mich wieder der Gegenwart stellen musste. Genug mit dem Selbstmitleid und der Heulerei! Die Konfrontation mit Tristan würde mich ausreichend fordern, um diese Erpressung für einen kurzen Moment halbwegs zu vergessen. Die Schluchzer ebbten ab, und ich wischte mir die Tränenrückstände von den Wangen. Ein wenig kühles Wasser und er würde nicht mitbekommen, dass ich geheult hatte. Vorausgesetzt es interessierte ihn überhaupt. Schwerfällig erhob ich mich, verließ gerade das Klassenzimmer und war auf dem Weg zu den Waschräumen, als ich gegen eine harte, bekannte Brust stieß.
»Ups!«, entkam ihm. Er packte mich an den Oberarmen, als ich taumelte und fast das Gleichgewicht verlor. Immer war er da, um mich aufzufangen. Gleichzeitig fühlte ich seinen eindringlichen Blick auf mir, während ich den Boden fixierte – in der verzweifelten Hoffnung, man könnte mir so die tief greifende Traurigkeit nicht ansehen.
Ach, wem machte ich was vor? Das Glück ist eine Hure, die mich verlassen hat , dachte ich ungewohnt zynisch. Natürlich bemerkte er meine geröteten Augen und mein nach dem Weinen grundsätzlich fleckiges Gesicht. »Wer war das?«, blaffte er und ich wich vor ihm zurück.
»Wir sollten jetzt das Interview führen, dann muss ich heim«, versuchte ich abzulenken und vermied es weiterhin, ihn anzuschauen. Bestimmt entzog ich mich seinem Griff und wollte an ihm vorbei. Doch sein langer, muskulöser Arm hinderte mich daran. Mich an die Wand drängend kesselte er mich ein, die Hände links und rechts von meinem Kopf platziert, und lehnte seine Stirn an meine. Dieser Duft, die Wärme, seine Nähe … Ich war wie berauscht und ein Seufzen löste sich von meinen Lippen. Ungewollt, jedoch auch ohne die Chance, es zu verhindern, lud sich dieses Knistern, diese magische Energie zwischen uns auf. Gänsehautschauer rieselten meinen Rücken hinab – ich war völlig bewegungsunfähig.
»Bist du meinetwegen so fertig? Wegen Samstag?«, hauchte er mit ungewohnt rauer Stimme; sein Atem streichelte meine Haut wie seine Aufmerksamkeit meine Seele. Tristans Anwesenheit benebelte meinen Verstand. Tief in mir gab es allerdings jenen dunklen Punkt, der nicht von ihm eingenommen wurde und der unaufhörlich Evas Worte wiedergab – wie in Endlosschleife gefangen. Dieser abwertende, drohende Tonfall rüttelte mich wach, ließ mich erkennen, wo wir uns befanden und wie verfänglich diese Situation womöglich auf Außenstehende wirkte. »Nein.« Ich schluckte mühsam und versuchte, seinen großen Körper wegzustoßen. Ein wenig Distanz zu erschaffen, die es mir ermöglichte, wieder logisch zu denken. Aber er hielt mich mühelos an Ort und Stelle.
»Hat dich irgendwer blöd angemacht, Mia? Sag es mir! Ich will nicht, dass du wegen mir fertiggemacht wirst, okay? Egal, was mit uns ist. Ich lasse verfickt noch mal nicht mehr zu, dass sie dir was antun!«
Kurz wollte ich schwach werden, mich an ihn drängen, seinen dargebotenen Schutz annehmen und ihm alles beichten. Begonnen bei meinen Gefühlen, wie sehr er mich verletzt hatte, ich ihn aber dennoch von ganzem Herzen liebte. Dass die Welt trist und farblos ohne ihn war, bis hin zu Evas Erpressung, die mein Leben noch schlimmer machen konnte, als es bereits war. Am Ende brachte ich nichts hervor. Rein gar nichts, abgesehen von … »Nein, Tristan …« Meine Beine nahmen die Konsistenz von Wackelpudding an, und ich hatte die Befürchtung, dass sie demnächst nachgeben würden. Denn er kannte mich gut und durchschaute meine Lüge
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