Immorality Engine
»Ich
muss mich sofort auf den Weg machen.«
Newbury hielt ihn fest. »Sie werden nichts dergleichen tun.«
»Ichââ¦Â«, setzte Bainbridge an, doch Newbury gab ihn nicht frei.
»Charles, hören Sie mir zu. Ich habe natürlich die Queen
benachrichtigt. Wenn sie uns braucht, dann wird sie uns holen lassen. Sie
müssen im Bett bleiben. Es gibt nichts mehr, was wir zwei tun können. Sie
würden sich nur selbst umbringen.«
Bainbridge seufzte frustriert. Newbury hatte recht, in seiner
derzeitigen Verfassung war er zu nichts zu gebrauchen. Möglicherweise brachte
er sogar andere in Gefahr. Er entspannte sich, und Newbury lieà ihn los.
Jetzt erst fiel Bainbridge auf, dass sein Freund allein gekommen
war. »Wo ist Miss Hobbes?«
Newbury blickte abwesend aus dem Fenster. Er wirkte zerstreut.
Vielleicht setzten ihm die Pläne der Bastion Society doch mehr zu, als er es
sich anmerken lieÃ. »Ich habe sie in Chelsea gelassen. Sie muss sich um
verschiedene Dinge kümmern. In den letzten Tagen hat sie viel durchgemacht,
Charles. Ihrer Schwester geht es nicht gut.«
Bainbridge gab sich Mühe, ein wenig Mitgefühl zu zeigen. »Ist sie
nicht im Grayling Institute? Fabian kümmert sich bestimmt gut um sie, da bin
ich ganz sicher.«
»Gewiss«, antwortete Newbury. »Er bemüht sich sicherlich nach
Kräften.«
Bainbridge war nicht sicher, was
Newbury damit andeuten wollte, doch in seinem Kopf drehte sich alles. Mit dem
gesunden Arm schob er sich auf dem Bett hin und her. Am liebsten hätte er
sofort die Augen geschlossen. Er hatte gegen die Erschöpfung angekämpft, weil
er auf Newbury gewartet hatte, um ihn
vor der Bastion Society zu warnen.
Diese Angelegenheit war erledigt, und nun
verlieÃen ihn die Kräfte. Newbury hatte recht. Der Palast war geschützt, und keiner von ihnen konnte noch etwas
Wesentliches beisteuern.
»Charles, Sie müssen sich unbedingt ausruhen. Miss Hobbes und ich
kümmern uns um alles. Sie müssen sich jetzt erholen.« Newbury beugte sich vor
und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Haben Sie schon an den Knochenflicker
gedacht, Charles? Ich könnte ihn für Sie um einen Termin bitten.«
Bainbridge schüttelte den Kopf. »Nicht nötig«, erwiderte er. Ein
Besuch beim Knochenflicker, bei dem Mann, an den sich die Agenten der Krone in
höchster Not wandten, war nicht erforderlich. So schwer war er nicht verletzt.
»Es geht mir gut, Newbury. Ich bin nur müde und ein wenig angeschlagen.«
Newbury lächelte warm. »Nun gut.« Er sah sich über die Schulter nach
der Tür um. »Ich kehre jetzt besser zu Miss Hobbes zurück, ehe sie und
Scarbright mir alle Möbel umstellen.«
Bainbridge kicherte. »Wundern würde es mich nicht.« Er fasste
Newbury am Arm, weil er sich auf einmal groÃe Sorgen machte: um seinen alten
Freund, um die Queen und um alles, was ihm lieb und teuer war. »Ich komme schon
wieder auf die Beine, Newbury. Versprechen Sie mir nur, dass alles gut wird.«
Newbury nickte. »Es wird alles gut, Charles.«
»Guter Mann.«
Bainbridge lieà sich von Newbury helfen, als er sich tiefer in die
Kissen bettete. Seine Augenlider waren ungeheuer schwer.
»Morgen komme ich wieder vorbei und berichte Ihnen die Neuigkeiten,
Charles.«
»Unbedingt«, murmelte der Chief
Inspector, der schon fast weggetreten war. Er lauschte, wie Newburys
Schritte sich auf dem Stationsflur entfernten, dann fiel er endlich in einen
tiefen, willkommenen Schlaf.
25
Veronica hockte hinter einem groÃen Rhododendron und
spähte zu der riesigen grauen AuÃenwand des Grayling Institute hinüber. Es war
gespenstisch still. Ãber den Himmel zogen bedrückende graue Wolken, die Regen
verhieÃen. Veronica empfand sie als Vorboten des Sturms, der bald aufziehen
würde. Anscheinend war sie damit nicht die Einzige. Die Vögel in den Bäumen
über ihr zwitscherten nicht, und die Diener
im Haus waren einige Male am Fenster erschienen und hatten hinausgeblickt, als
warteten sie ungeduldig auf den Regen.
Veronica hatte vor Anspannung den Atem angehalten und überwand sich,
ruhig auszuatmen. Seit mehr als einer halben Stunde hatte sie bewegungslos
ausgeharrt, und nun wurden ihre Zehen taub. Die Luft war kalt und feucht. Ganz
in der Nähe kniete Newbury in einem Blumenbeet und beobachtete aufmerksam und
festen Blicks die Zufahrt. Als sie
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