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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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ein gerüttelt Maß an Dünkel besaß. Er war schmal, schrecklich schmal, und Anfang vierzig. Auf der Oberlippe prangte ein bleistiftdünner Schnurrbart, die buschigen grauen Haare waren in der Mitte gescheitelt, eine Strähne
fiel ihm in die Stirn. Er trug einen schwarzen Frack, hatte sich einen
Zierdegen umgeschnallt und sprach mit jenem Oberschichtlispeln, das Veronica
auf der Stelle verriet, wie affektiert der Mann war.
    Â»Willkommen bei der Bastion Society«, sagte er und deutete mit
ausgebreiteten Armen auf den großen Raum. Er lächelte, was Veronica jedoch eher
als Drohung empfand. »Ich muss mich für den
Zustand des Hauses entschuldigen. Die armen Diener haben heute Morgen viel zu
tun. Ich fürchte, wir haben es gestern Abend ein wenig übertrieben.«
    Â»Ein besonderer Anlass?«, erkundigte sich Newbury leise.
    Graves legte den Kopf zur Seite, als müsste er überlegen, wie er
darauf antworten sollte. »Ein neues Mitglied. Wir haben seine Einführung in
unseren kleinen Club gefeiert.«
    Bainbridge zog ob dieser Untertreibung die Augenbrauen hoch. »So
klein scheint mir der Club aber nicht zu sein«, murmelte er halblaut.
    Graves lachte. »Gewiss, Sir Charles.«
    Newbury kratzte sich abwesend am Kinn. Er verarbeitete irgendetwas.
Irgendeine Information, die er dem Raum entnommen oder die Graves ihm
unwissentlich hatte zukommen lassen. »Ein neues Mitglied?«, sagte er
schließlich. »Nehmen Sie denn überhaupt noch Bewerbungen entgegen?«
    Graves lächelte. »Haben Sie Interesse, sich uns anzuschließen, Sir
Maurice? Wir würden uns sicherlich freuen, jemanden von Ihrem Rang in unsere
Reihen aufzunehmen.« Er wartete ab, ob Newbury darauf antworten wollte, und
fuhr schließlich fort, als ihm bewusst wurde, dass der Agent sein Schweigen
nicht brechen würde. »Aber um Ihnen zu antworten: Nein, im Grunde tun wir das
nicht. Alle Bewerber werden vor der Zulassung streng überprüft, und an diesen
Brauch halten wir uns sehr gewissenhaft.« Veronica bemerkte, dass er die Hand
auf das Heft des Degens gelegt hatte. »Wir glauben an Ritterlichkeit und
Ordnung und wollen die Grundsätze erhalten, die unser Land groß gemacht haben.
Wir wollen unser Vaterland behüten und ein Beispiel dafür geben, wie ein
gebildeter englischer Gentleman sich benehmen sollte. Wir sind Ritter des
Empire, Sir Maurice, und handeln stets in dessen Interesse.«
    Er hatte nach und nach die Stimme erhoben und hielt eine oft geübte
Rede. Jetzt grinste er Veronica an wie ein Wolf. »Es kommt nicht oft vor, dass
wir in unserem Haus eine Dame begrüßen dürfen, Miss Hobbes. Bitte verzeihen Sie
mir, wenn ich übereifrig wirke. Ich glaube einfach aus ganzem Herzen an unsere
Sache.«
    Â»Das ist ganz und gar unverkennbar«, erwiderte sie und bemühte sich,
jeglichen wertenden Unterton aus ihrer Stimme zu verbannen. Sie konnte den Mann
nicht leiden, doch es wäre nicht klug gewesen, das offen zu zeigen.
    Bainbridge war nicht ganz so taktvoll. »Das ist gewiss alles sehr
lobenswert.« Er unterbrach sich und hüstelte in sein Taschentuch. Veronica nahm
an, dass er auf diese Weise sein Lachen verbarg. »Aber nun sagen Sie mir, wenn
dies alles wahr ist, diese Bemerkungen über Ritterlichkeit und Ordnung, warum
lassen Sie sich dann mit einem Kriminellen wie Edwin Sykes ein?«
    Es gelang Graves nicht ganz, das empörte Stirnrunzeln zu
unterdrücken. »Sie kommen wirklich ohne Umschweife zur Sache, Sir Charles. Ich
will Ihnen etwas über Mister Edwin Sykes erzählen. Er ist einer dieser
neureichen Männer, die nicht aus gutem Hause stammen. Sie verstehen sicher, was
ich meine.« Er warf Bainbridge einen vielsagenden Blick zu. »Aber er ist
trotzdem ein Gentleman, und soweit ich weiß, hat man ihn keines Verbrechens
überführt. Er unterstützt begeistert unsere Sache, und ich zögere keine
Sekunde, den Mann wärmstens zu empfehlen. Zwar wäre er nicht meine erste Wahl,
wenn ich einen Begleiter für ein Abendessen auswähle, aber er ist ein braves,
anständiges Mitglied unseres Clubs.«
    Bainbridge nickte. »Wann haben Sie ihn zuletzt im Packworth House
gesehen, Sir Enoch?«
    Graves dachte nach. »Um ehrlich zu
sein, ich bin nicht ganz sicher, Sir Charles. Es könnte ein paar Wochen her
sein. Es tut mir leid, dass ich es nicht genauer sagen kann. Ich hatte sehr
viel zu tun. Sie

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