Immorality Engine
ausgeräumt!« Bainbridge war sichtlich
verwirrt. »Der Mann war an mindestens zwei Stellen gleichzeitig!«
Newbury lehnte sich an einen Laternenpfahl. Er wirkte jetzt sehr
müde. »Alter Mann, für mich ist klar, dass unsere Augen uns auf irgendeine
Weise täuschen. Irgendjemand spielt uns einen höchst raffinierten Streich, und
wir stecken mitten darin und sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Nach dem
Auftritt des Präsidenten bezweifle ich nicht, dass die Sache irgendwie mit
Enoch Graves und der eigenartigen ritterlichen Welt der Bastion Society zu tun
hat.«
Bainbridge seufzte ausgiebig. »Newbury, die Frage ist doch, was zum
Teufel wir nun tun wollen. Wir können doch nicht einfach hineinstürmen und den
Leuten eine Szene machen. Wir haben keinerlei Grund, das Haus zu durchsuchen,
auch wenn wir annehmen, dass Graves uns belogen hat.«
Newbury grinste verschlagen. »Es gibt Mittel und Wege, mein lieber
Charles. Mittel und Wege.«
Bainbridge schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. »Newbury, vergessen Sie nicht, dass ich Polizeiinspektor
bin. Ich darf nicht gegen das Gesetz verstoÃen.«
»Und ich, Charles, bin
Wissenschaftler und Philosoph. Welchen Schaden könnte ich schon
anrichten?«
Veronica beäugte ihn ironisch. »Ich glaube, Sir Charles, das sollten
wir besser als rhetorische Frage auffassen.«
Newbury nahm den Seitenhieb mit Humor und lachte.
»Tja, Newbury«, sagte Bainbridge, »ich fürchte, ich muss mich jetzt
um verschiedene andere Dinge kümmern. Würde es Ihnen etwas ausmachen, Miss
Hobbes zurück nach Kensington zu begleiten?«
Newbury fing ihren Blick ein. Er
rechnete damit, dass sie protestieren würde, und als sie es nicht tat, lächelte
er freundlich. »Es ist mir ein Vergnügen.«
»Ausgezeichnet. Ich schaue morgen nach dem Frühstück bei Ihnen
vorbei, und dann überlegen wir uns, wie wir diese Bastion-Kerle ein wenig aus
der Ruhe bringen können. Sie natürlich auch, Miss Hobbes.« Er warf ihr einen
letzten Blick zu und ging.
»Bis morgen, Sir Charles«, rief sie ihm hinterher.
Veronica wartete, bis Bainbridge sich auf der StraÃe ein Stück entfernt hatte, ehe sie zu Newbury
trat und ihn am Arm fasste. Er war überhaupt nicht gut beieinander. »Ich nehme
an, Mrs. Grant wird sich freuen, Sie zu sehen«, sagte sie unbeschwert. »Es ist
schon eine Weile her, dass Sie uns besucht haben, und von dem Earl Grey, den
sie eigens für Sie erstanden hat, ist noch eine Menge da. Ich würde sagen, Sie
lassen sich von ihr eine Kanne aufbrühen.«
Newbury kicherte müde. »Miss Hobbes, Sie wissen wirklich, was ein
Mann braucht.«
Â
9
Newbury sah aus, als
würde er jeden Moment in seinem Sessel einschlafen. Veronica hatte längst
beschlossen, ihn schlummern zu lassen, wenn es tatsächlich dazu kam, um ihn
nach ein oder zwei Stunden zu wecken und ihn mit einer Droschke nach Hause zu
schicken. Nicht, dass sie sich groÃe Sorgen machte, es könnte ein Gerede
geben â wäre es ihr darauf angekommen, dann hätte sie schon vor langer
Zeit ganz andere Entscheidungen treffen müssen. Nein, sie fand es völlig
richtig, Newbury in ihrer Wohnung die Möglichkeit zu geben, sich fern von allen
Versuchungen und dem Chaos in Chelsea auszuruhen. Natürlich nicht die ganze
Nacht, aber wenigstens ein paar Stunden. Zudem hatte sie Bainbridge
versprochen, Newbury zu beschäftigen.
Nun saà sie ihm gegenüber, ganz vorne auf der Kante des Sofas, und
wärmte sich die Hände an der Teetasse. Newburys Brustkorb hob und senkte sich
ruhig und friedlich, die Augenlider öffneten sich manchmal flatternd ein
Stückchen und fielen sofort wieder zu. Die einzigen Geräusche waren das Ticken
der Reiseuhr auf dem Kamin und das Rumpeln der Omnibahnen, die unten auf der
Kensington High Street vorbeifuhren.
Veronica stand auf und trat ans Fenster, zog den Vorhang zur Seite
und blickte auf die Stadt hinaus. In der Ferne, niedrig über dem Horizont,
schwebte ein Luftschiff durch den klaren blauen Himmel. Bald begann die
Abenddämmerung.
Sie fragte sich, wie Bainbridge auf der anderen Seite der Stadt
vorankam. Keine Frage, dass sie das Rätsel zusammen lösen konnten. Verglichen
mit den Dingen, die sie bisher bewältigt hatten â mordlüsterne Automaten,
Wiedergänger, abtrünnige Agenten, Serienmörder und
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