Immorality Engine
der
Seele reden.
»Fahren Sie fort«, drängte er sie.
»Wenn dies zutrifft, dann ist das, was Fabian mit Amelia tut, etwas
völlig anderes. Seine Technik erzeugt lebende Kopien. Offenbar teilt er nicht
die Ansichten der Bastion Society. Er stellt die Duplikate also nicht für ein
Ritual her, sondern aus ganz anderen Gründen.« Veronica räusperte sich. Ihr
Mund war trocken. In der Zelle gab es kein Wasser, und obwohl sie mehrmals die
Wachen behelligt hatte, war niemand bereit gewesen, ihnen welches zu bringen.
»Ich bin ebenfalls zu dieser Schlussfolgerung gelangt. Vermutlich
hat es mit ihren hellseherischen Fähigkeiten zu tun, und Fabian benutzt die
Duplikate, um die Zukunft vorherzusagen.« Newbury hustete in die hohlen Hände.
»Nein, das glaube ich nicht.« Veronica rieb sich die Knie, um sich ein wenig zu wärmen. »Ich glaube,
es steckt mehr dahinter. Die Queen will um jeden Preis ihr Leben und ihre
Regentschaft verlängern. Ich fürchte, sie hat Fabian damit beauftragt, einen
Weg zu finden, um auch sie zu kopieren und bei der Gelegenheit einen neuen,
gesunden Körper zu erschaffen, damit sie sich gewissermaÃen selbst beerben
kann.«
Newbury seufzte. »Ah ja. Die Queen. Ich hatte ganz vergessen, wie
gut Sie über die Königin Bescheid wissen.«
»Nun ja, ichââ¦Â« Sein Sarkasmus hatte sie getroffen.
»Warum haben Sie es mir verschwiegen, Veronica? Warum bin ich der
Einzige, dem Sie es nicht gesagt haben?« Seine Stimme war fest und beherrscht.
Keine Spur von dem Mann, der noch vor ein oder zwei Stunden an den Wänden
gekratzt und unter dem Einfluss des Entzugs geschrien hatte. Er suchte ihren Blick, und sie sah ihm in die anklagenden
Augen. »Um Gottes willen, sogar Graves wusste über Sie Bescheid!« Er senkte die
Stimme, jetzt klang es bekümmert und verwirrt. »Warum haben Sie das getan?«
Veronicas Herz hämmerte laut in der Brust. Ihr war übel, es drehte
ihr den Magen um, Benommenheit überkam sie. Endlich war es so weit. Das
Gespräch, das sie in Gedanken schon so oft durchgespielt hatte. Das Gespräch,
das sie immer hatte vermeiden wollen, obwohl doch klar gewesen war, dass es
eines Tages so weit sein musste. Sie wusste nicht, was sie sagen und wie sie es
erklären konnte. Warum hatte sie es getan? Vermutlich wohl aus Pflichtgefühl.
Und aus Angst.
Sie schloss die Augen, denn sie konnte ihn nicht ansehen und wollte
nicht mit seiner Reaktion konfrontiert werden. »Ich habe aus Furcht
geschwiegen, weil ich dachte, Sie verstoÃen mich, sobald Sie es erfahren. Sie
sollten nicht glauben, ich hätte Zweifel an Ihnen. Ich wollte Sie nicht
verlieren. Ich könnte es nicht ertragen, Sie zu verlieren. Ichââ¦Â« Sie
schluchzte und lieà den Kopf hängen. Sie konnte es nicht aussprechen.
»Ich weià es schon seit Monaten«, antwortete er leise. Jedes Wort
traf sie wie ein Pfeil ins Herz. »Seit jenem Moment im Keller mit Aubrey Knox.
Danach bin ich Ihnen zum Palast gefolgt und habe Sie hineingehen sehen. Sie
hätten es mir sagen müssen, Veronica.« Er hielt inne und starrte den Boden an.
»Sie hätten es mir sagen müssen.«
»Und was dann, Maurice? Was wäre
geschehen, wenn ich es Ihnen gesagt hätte? Hätte es etwas verändert?« Dann
schwieg sie, denn ihre Gefühle lagen im Widerstreit miteinander, und sie war
sich ihrer eigenen Emotionen nicht mehr sicher. Einerseits wusste sie, dass
ihre Heimlichkeiten wahrscheinlich dazu beigetragen hatten, dass Newbury in
dieses Jammertal hinabgestiegen und zu den Drogen gegriffen hatte. Andererseits
war er für seine Taten selbst verantwortlich, und daran konnte sie kaum etwas
ändern. Teils war sie wütend auf ihn, teils wollte sie ihn in die Arme
schlieÃen und ihn festhalten. »Es tut mir leid«, sagte sie und wusste sogleich,
dass dies bei Weitem nicht genug war.
Newbury lieà sich mit der Antwort Zeit, und als er endlich sprach,
klang die Stimme belegt, weil er die Gefühle niederkämpfte. »Sie hätten es
bleiben lassen können, Veronica. Sie hätten ihr sagen können, dass Sie nicht
fähig seien, damit weiterzumachen.«
Veronica schüttelte den Kopf. »Nein! Ich hatte keine Wahl. Sie
wissen doch, wie sie ist, Maurice. Ein Nein akzeptiert sie nicht. Niemand
verweigert sich ihren Wünschen. Sie hätte mich woanders eingeteilt, und das
wäre es dann gewesen,
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