Immortal. Dunkle Leidenschaft
seinen Bruder vollkommen entsetzt an. Sein eigener Rücken und seine Arme waren von Schlachtnarben gemustert, doch waren sie nichts im Vergleich zu dem, was er auf Tains Körper sah.
Breite Narben wanden sich in einem ebenmäßigen Muster über seinen Rücken, seine Arme und Beine hinunter und vorn wieder hinauf bis zu seinen Lenden. Nirgends wuchs auch nur ein einziges Haar, sondern von oben bis unten war nichts als weißes gespanntes Gewebe. Die Wunden sahen frisch aus, folglich mussten sie, kaum dass die schnelle Heilung einsetzte, jedes Mal wieder aufs Neue geöffnet worden sein.
Alle drei Tage.
»Isis, steh uns bei!«, flüsterte Adrian, der bei diesem Anblick seine eigenen Schmerzen vergaß. »Tain, töte den Dämon! «
Die Dämonin nahm ein langes gebogenes Messer vom Tisch, während Tain Adrian todernst ansah und sagte: »Ich muss das tun. Es macht mich stärker.«
Nackt, wie er war, drehte er sich um und stützte sich mit den Händen an die Wand. Die Dämonin legte ihr Kleid ebenfalls ab, baute sich nackt hinter Tain auf und begann, ihm mit langen gleichmäßigen Schnitten die Haut abzuziehen.
»Er ist in meinem Haus?«, fragte Amber entgeistert.
Sie waren in den frühen Morgenstunden bei Adrians Haus eingetroffen, wo Septimus und Kelly bereits auf sie warteten – gleich außerhalb der Schutzhülle, mit der Adrian das Haus versehen hatte. Prompt wollte Valerian dem Vampir an die Gurgel gehen, doch dieser schleuderte ihn mit einer Welle seiner schwarzen Magie zurück. Dann erklärte er ihnen seelenruhig, wie er Adrian an den Dämon übergeben hatte. Kelly, die sich bei Septimus einhakte, stand vollkommen ungerührt da.
»Ich hatte Weisung, ihn dorthin zu bringen«, beendete Septimus seinen Bericht leise. »Der Dämon behauptete, dass Tain dort sei und ihn sehen wolle.«
Amber nagte an ihrer Unterlippe. Sie hatte ja schon länger das Gefühl, dass es nicht gut ausginge, wenn Adrian seinen Bruder wiederfand oder vielmehr: wenn Tain Adrian zu sich lockte.
»Dann hat der Dämon jetzt beide?«, fragte Valerian. Seine Erkältung hatte sich auf dem Rückflug – zunächst per Hubschrauber, dann per Flugzeug – deutlich gebessert, denn sein kräftiger Drachenkörper schien sich schnell zu erholen.
»Wie es aussieht«, antwortete Septimus in einem Ton wie ein Aufsichtsratsmitglied, das über einbrechende Absätze bei den Erdnüssen an der Bar redet.
Valerian ballte die Fäuste. »Gut, danke für die Information. Und jetzt mach dich darauf gefasst, dass ich einen Drachensnack aus dir mache!«
Septimus’ Augen blitzten gefährlich auf. »Du würdest an mir ersticken.«
»Das Risiko gehe ich mit Freuden ein!«
Kelly trat zwischen sie. »Lass ihn in Ruhe! Er hatte keine andere Wahl, als dem Dämon zu helfen.«
»Das lässt er dich bloß glauben, weil du seine Blutsklavin bist«, konterte Valerian aufgebracht.
»Ist sie nicht«, entgegnete Septimus ruhig. »Es steht ihr jederzeit frei, mich zu verlassen. Ich habe sie nicht an mich gebunden.«
Kelly wandte sich verwundert zu ihm um, doch Septimus nickte. »Es ist wahr. Ich wollte nicht erzwingen, dass du bei mir bleibst. Ich möchte, dass du es freiwillig tust.«
Jegliche Starre fiel von Kelly ab, und sie reckte sich, um ihn auf die Wange zu küssen. Valerian stieß einen Würgelaut aus.
»Können wir wieder zum Wesentlichen kommen?«, fragte Amber gereizt. »Warum sind Adrian, Tain und der Dämon in meinem Haus? Was ist so Besonderes daran?«
»Ganz einfach«, brummte Detective Simon, »sie leben dort.«
»Und sie wollen, dass ich hinkomme? Wozu?«
»Mir fallen da einige Gründe ein, die sämtlichst recht sadistisch anmuten.«
»Da muss ich ihm zustimmen«, sagte Septimus, und Kelly nickte.
»Nein, was ich meine, ist, dass ich keine besonderen Kräfte oder Talente besitze, die für sie von Nutzen wären. Ich bin eine ziemlich durchschnittliche Hexe – in manchen Dingen gut, in anderen eher …«
Septimus fiel ihr ins Wort. »Dann wollen sie dich offensichtlich, um Adrian unter Druck zu setzen. Sie bedrohen dich, damit er kooperiert. So würde ich es jedenfalls machen.«
»Klar würdest du!«, knurrte Valerian.
»Haltet den Mund, alle!«, befahl Amber streng und presste die Hände an die Schläfen. »Ich muss überlegen, was zu tun ist.«
Sie marschierte an ihnen vorbei die Einfahrt hinauf und durch die unverschlossene Haustür. Die anderen trotteten hinter ihr her, Valerian mit ihrer Reisetasche über den Schultern.
Detective Simon
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