Immortal. Dunkle Leidenschaft
gesamten Schriften vernichteten? Auf jeden Fall war es ein Skript, das Dämonen benutzten, um die Rituale für ihre eigenen Gottheiten aufzuzeichnen, Beschwörungen, die mächtige schwarze Magie und unglaubliches Übel enthielten. Einzig ein sehr mächtiger Dämon – oder ein sehr alter – verstand diese Sprache. Und bei dem Gedanken, dass der Dämon, dem er heute Nacht gegenübergetreten war, ein Ewiger sein könnte, wurde Adrian kalt bis ins Mark.
Eine von Adrians Aufgaben bestand darin, die Dämonen davon abzuhalten, die Welt an sich zu reißen. Er konnte sie natürlich nicht alle töten, so gern er es auch täte, weil die lebensbejahende und die tödliche Magie sich letztlich die Waage halten mussten. Überwog eine von ihnen, ganz gleich welche, wäre das das Ende der Welt.
In frühen Zeiten war die schwarze, die Todesmagie, sehr stark. Ein ums andere Mal löschte sie die weiße, gute Magie aus und mit ihr die Weltzeit. Dann verband Isis sich mit einem Priester des Ammon und empfing ein Kind von ihm – Adrian –, einen Halbgott, der unsterblich war und den Menschen helfen konnte, gegen die schwarze Magie zu kämpfen, sollte sie zu stark werden. Isis entwarf ihn absichtlich als halb menschlich, auf dass er Mitgefühl mit den Normalsterblichen empfinden könnte, und halb göttlich, auf dass er die Zauberkraft und das Leben eines Gottes besaß.
Ein Höllenleben. Nach und nach waren seine anderen Brüder geboren worden, jeder von ihnen von einem anderen Priester gezeugt und mit einem anderen Zug der Mutter Göttin ausgestattet. Sie bildeten eine Familie von Kriegern, die Unsterblichen, die außerhalb der Zeit weilten, bis sie herbeigerufen wurden. Zuerst hatten sie kaum etwas anderes getan, als auf ihre Rufe zu reagieren, weil ihnen überhaupt nicht bewusst war, dass sie eine andere Wahl hatten.
Seither war so viel geschehen, so viele Weltveränderungen hatten sich ereignet. Bevölkerungen waren entstanden und ausgelöscht worden, um sich von neuem zu erheben. Und Adrian durchlebte Unzähliges, von unglaublicher Einsamkeit bis hin zu unglaublicher Freude. Nun stand er hier, in einem viktorianischen Haus im pazifischen Nordwesten, und dachte auf eine Weise über den Kuss einer Frau nach, wie er es seit sehr langer Zeit nicht mehr getan hatte.
Er schüttelte den Kopf, während er begann, Schubladen zu öffnen und zu durchsuchen. Er fand, was er in dem Zimmer einer Hexe erwartet hatte: Schachteln mit Kerzen, die nach Farben sortiert waren, Kräuter, die einzeln in Gläsern oder zu Bündeln in Beuteln lagerten, fertige Stäbchen und Kegel aus Weihrauch sowie Gläschen mit selbstgemischtem Weihrauch. In einer Zimmerecke stand ein Besen, dessen Stiel mit Bändern verziert war.
Und Bücher. Regale und Stapel von Büchern, die von den jüngsten Veröffentlichungen über Hexenkunst bis hin zu alten Texten reichten. Alle drehten sich um Kräuterlehre, Folklore und alte Magie. Susan hatte Stellen in den Büchern markiert, indem sie die Seitenecken eingeknickt, bestimmte Zeilen unterstrichen oder Verse eingekringelt und alles zusätzlich mit herauslugenden Papierschnipseln gekennzeichnet hatte. Keines der Bücher war in Dämonenschrift verfasst oder enthielt auch bloß einen Hinweis darauf.
In einer Schublade fand Adrian Susans Notizen in Ringbüchern, eines für jedes Jahr. Und jedes Notizbuch war noch einmal nach Jahreszeiten unterteilt, nach Ritualen, Tarotlesungen und Wahrsagungen, Zaubersprüchen und Hexensabbat-Anleitungen.
»Das habe ich alles schon durchgesehen«, sagte Amber, die in der Tür stand.
Kapitel 3
A drian erschrak nicht, als er Ambers Stimme hörte. Er hatte bereits ihre Schritte auf dem Flur bemerkt, ihren Duft in der Luft wahrgenommen, und natürlich spürte er ihre unverkennbare Aura. Nie könnte ihm ihre Nähe entgehen.
Flüchtig blätterte er durch das Notizbuch des Vorjahres, ohne aufzusehen. »Ich weiß. Aber ich könnte etwas sehen, das dir entgangen ist oder du nicht verstanden hast.«
Sie kam zu ihm. Ihre Schritte waren wie ein Flüstern auf dem Teppich. Sie trug ein langes Nachthemd mit einem weiten Ausschnitt, der ihn bei jedem Schritt einen Blick auf das erhaschen ließ, was sich unter der Hülle aus Stoff verbarg.
»Ich meine, du könntest die Bedeutung übersehen haben, oder sie verschleierte sie absichtlich vor dir.«
»Mit einem Faszinationszauber meinst du?« Amber wurde unsicher, als sie sah, welche Seite er gerade las. »Ich würde jeden Faszinationszauber erkennen, den
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