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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Melatonin-Tabletten-Wahn war.
    Doch Wissenschaftler, die sich die Resultate genauer ansahen, stellten fest, dass die bei den Experimenten verwendeten Mäuse einen genetischen Defekt aufwiesen, der die Melatoninproduktion sogar verhinderte. Diese Erkenntnis änderte jedoch nichts daran, dass sie tatsächlich jünger aussahen und länger lebten. Irgendetwas war die Ursache dafür. Es war nur nicht das Hormon Melatonin.
    Die Autopsiebefunde deuteten darauf hin, dass einige der Experimente des Hakim den Zweck hatten, herauszufinden, ob die Verpflanzung von Zirbeldrüsengewebe bei Menschen den gleichen Effekt hatte. Solche Experimente an Menschen vorzunehmen war nicht einfach. Die Zirbeldrüse, die beim Menschen nur die Größe einer Erbse hat, sitzt im Zentrum des Gehirns. Am aktivsten ist sie bis zur Pubertät; im Erwachsenenalter verkalkt sie, und man nimmt an, dass sie überflüssig wird. Infolgedessen mussten verwertbare Zirbeldrüsen bei Kindern und Teenagern entnommen werden, und die endoskopische Mikrochirurgie, die notwendig war, um die Drüsen zu erreichen, war kompliziert und heikel und für den Spender mit hohen Risiken verbunden.
    Was allerdings egal war, wenn man über einen unerschöpflichen Vorrat an Kindern verfügte, die keiner vermisste.
    Das andere große Problem bestand darin, dass lebensverlängernde Experimente meistens an kurzlebigen Arten vorgenommen wurden, damit man alle Veränderungen innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens beobachten und dokumentieren konnte. Eintagsfliegen eigneten sich angesichts ihrer kurzen Lebenserwartung dazu ideal. Nematoden, die etwa zwei Wochen alt werden, wurden ebenfalls oft verwendet, aber auch Labormäuse, obwohl sie mit einer Lebenserwartung von etwa zwei Jahren für ein solches Experiment schon fast zu lange lebten. Menschen mussten sehr viel länger beobachtet werden, bevor eine signifikante Veränderung bemerkbar wurde. Daher mussten die Testobjekte des Hakim nach seinen Operationen monate- oder sogar jahrelang eingesperrt bleiben.
    Die Untersuchungen hatten ergeben, dass der Hakim nicht nur mit Zirbeldrüsen experimentiert hatte. Auch andere Drüsen gehörten zu seinem Repertoire – die Hypophyse und die Thymusdrüse, aber auch die Keimdrüsen von Männern und die Eierstöcke von Frauen. Bei manchen Opfern hatte er seine Versuche darauf beschränkt, die Wirkung diverser Hormone und Enzyme auf die Körper seiner Objekte zu studieren. Seine Arbeit war bemerkenswert fortgeschritten; sie befasste sich sowohl mit altbekannten lebenserhaltenden Enzymen wie Telomerase als auch mit neueren Entdeckungen wie dem PARP-1-Protein. Die Ausrüstung, die ihm zur Verfügung stand, war hochmodern. Er war offensichtlich ein talentierter Chirurg und Molekularbiologe.
    Seine Testobjekte waren ausnahmslos eines schrecklichen Todes gestorben. Einige der Männer, Frauen und Kinder, die in seinen Operationssaal gebracht wurden, schlachtete er einfach aus, entnahm ihnen die Teile, die er brauchte, und beseitigte sie. Andere, die Empfänger, mussten lange Zeit mit den Folgen seiner wahnwitzigen Eingriffe leben. Wenn ihr Körper schließlich versagte, hatte er anscheinend keinerlei Skrupel, diesen sogleich zu öffnen, um zu sehen, was schiefgegangen war, bevor er die sterblichen Überreste in Massengräbern verscharren ließ.
    Kirkwood empfand Übelkeit. Wut brannte wie Galle in seiner Kehle. Er wusste, dass Wissenschaftler sich bevorzugt in Länder absetzten, in denen sie ihre grotesken Experimente ungestraft durchführen konnten, ohne sich um Menschenrechtler und Ethikräte kümmern zu müssen. Aber das hier war etwas anderes. Was der Hakim getan hatte, ging weit über all das hinaus, was er für menschenmöglich gehalten hätte.
    Es war abgrundtief böse.
    Das Schockierendste an alldem war, dass Corben – so ging es aus der Akte hervor – den Auftrag hatte, den Hakim zu finden. Doch nicht etwa, um ihn zur Strecke zu bringen. Sondern um seine Talente für die USA nutzbar zu machen.
    So etwas kam nicht zum ersten Mal vor. Regierungen waren stets gern bereit, vergangene Missetaten, mochten sie noch so grausig sein, zu vergeben und mit dem Teufel zu paktieren, wenn sie dadurch wertvolle und innovative Forschungsergebnisse in ihren Besitz bringen konnten. Die amerikanische Regierung war eines der ersten Beispiele dafür. Sie war mit den Raketenwissenschaftlern der Nazis so verfahren, mit russischen Experten für atomare, chemische und biologische Kriegführung – und anscheinend hatte

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