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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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benötigt werden. Unter anderem würden die Sozial- und Rentensysteme noch grundlegender reformiert werden müssen, als dies ohnehin schon der Fall war. Und die zwischenmenschlichen Beziehungen würden sich radikal verändern.
    Die Ehe – würde diese Institution noch etwas bedeuten, wenn niemand sich wirklich vorstellen konnte, zweihundert Jahre lang mit derselben Person zusammenzuleben? Kinder – wie würden sie aufwachsen und sich ihren Eltern gegenüber verhalten? Auch auf die Arbeitswelt würden sich die Veränderungen auswirken, auf die berufliche Laufbahn und den Ruhestand. Würden die Menschen ihr ganzes langes Leben hindurch arbeiten müssen? Wahrscheinlich. Würden sie es mental verkraften? Was würde aus der Vorstellung, dass die Alten irgendwann beiseitetraten, damit die Jungen ihren Platz im Leben finden konnten? Würde noch irgendjemand befördert werden können? Und wie sah es mit den weniger offensichtlichen Veränderungen aus, zum Beispiel für die Justiz? War eine dreißigjährige Gefängnisstrafe noch ein abschreckendes Mittel für jemanden, der damit rechnen konnte, zweihundert Jahre alt zu werden?
    Je länger sie darüber sprachen, desto klarer wurde es für Mia, dass wirklich jeder Aspekt des Lebens, wie sie es kannte, radikal neu definiert werden müsste, wenn das alles Wirklichkeit werden sollte. Über wissenschaftliche Hypothesen und ein idealisiertes «Was-wäre-wenn?» hinaus hatte sie nie wirklich über all diese Weiterungen nachgedacht. Jetzt, als potenzielle Realität betrachtet, war es eine entmutigende, ja, beängstigende Aussicht.
    «Wir würden in einem ‹posthumanen› Zeitalter leben», sagte Kirkwood. «Davor graut dem konservativen und religiösen Establishment natürlich. Aber Angst ist etwas Irrationales. Nichts von alldem würde sich über Nacht ereignen. Die Veränderungen kämen nach und nach. Das Mittel – sollte es je entdeckt werden – würde bekannt gegeben, und die Menschen würden – nun ja, sie würden einfach nicht mehr älter. Oder sie würden sehr langsam altern. Und die Welt würde sich anpassen. Wir sind ja schon heute völlig anders als die Menschen vor hundert Jahren. In deren Augen wären wir bereits ‹posthuman›. Und anscheinend kommen wir mit unserer größeren Lebenserwartung, mit medizinischem Fortschritt und technischen Innovationen ganz gut zurecht.»
    Aber gesunder Menschenverstand und der Glaube an das Gemeinwohl konnten sich nicht immer durchsetzen, dachte Mia. Angst vor Veränderung und eine herablassende, arrogante, hohepriesterliche Weltsicht verhinderten eine solche Entdeckung mit vereinten Kräften. Jenseits ihrer dogmatischen, konservativen Einstellung schreckte die Regierung auch vor den potenziellen Kosten zurück – ungeachtet der vermutlich gewaltigen Einsparungen bei den durch chronische Alterserkrankungen verursachten Gesundheitskosten. Die großen Pharmakonzerne sahen es außerdem gern, wenn der menschliche Organismus zerfiel, damit sie ihre Medikamente verkaufen konnten. Die wirkungslose Anti-Aging-Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel und Hormone waren bei einem Jahresumsatz von sechs Milliarden Dollar ebenfalls ein höchst lukratives Geschäft.
    «Die Gegner», schloss Kirkwood, «sind üblicherweise entweder zutiefst religiös, oder sie sind Philosophen, die ohnehin nicht in der Realität leben. In ihren Augen wird das Leben durch den Tod definiert. Ich sage, genau das Gegenteil trifft zu: Das Leben wird definiert durch das Bestreben, das Bedürfnis, den Drang, den Tod zu vermeiden. Das macht uns zu Menschen. Darum haben wir Ärzte und Krankenhäuser. Wir sind die einzige Spezies, die sich der eigenen Sterblichkeit bewusst ist, die einzige, die tatsächlich über die Fähigkeit, den Intellekt und das Bewusstsein verfügt, um sich ihr zu widersetzen. Diesen Ehrgeiz hat der Mensch, seit er auf diesem Planeten lebt. Er gehört zum Prozess unserer Evolution.»
    Mia betrachtete Kirkwood und nickte. Sie stimmte ihm zu, aber trotzdem blieb ein mulmiges Gefühl. «Und um Mom zurückzuholen, überlassen wir alles das vielleicht einem Psychopathen?»
     
    Kirkwood sah die Ratlosigkeit in ihrem Gesicht.
    Diese Frage hatte er sich auch gestellt.
    Es war ihm zuwider, sie anlügen zu müssen und das Unausweichliche hinauszuschieben. Er hätte ihr gern auf der Stelle die Wahrheit gesagt, aber jedes Mal, wenn er einen Anlauf machen wollte, hielt ihn irgendetwas zurück. Er hatte keine Wahl, aber es fiel ihm ungeheuer schwer, ihr ins Gesicht

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