Immortalis
ihm vorbei, auf Kirkwood zu.
«Das also ist unser geheimnisvoller Käufer», sagte er, und er betrachtete Kirkwoods Gesicht mit unverhohlener Faszination. «Und Sie sind …?» Er ließ die Frage unvollendet.
Kirkwood stand einfach da und sah ihn an, ohne zu antworten.
Der Hakim lachte kurz auf, und ohne den Blick von ihm zu wenden, hob er die Spritze und sagte zu Corben: «Wären Sie so freundlich, unserem Gast von meiner Überredungskunst zu berichten?»
Corben stemmte sich stöhnend hoch. «Sagen Sie ihm, was er wissen will», brachte er widerwillig hervor. «Glauben Sie mir, Sie ersparen sich eine Menge Schmerzen.»
Der Hakim ließ Kirkwood nicht aus den Augen. Sein Gesicht bekam einen selbstgefälligen Ausdruck.
Kirkwood sah zu dem Mann hinüber, den der Hakim bearbeitet hatte. Der mochtar , der die traditionelle Kleidung der Einheimischen trug, schien in Schmerz und Scham zu ertrinken. «Kirkwood. Bill Kirkwood», sagte er mit ausdrucksloser Stimme, während der Mann ihn umkreiste.
«Möchten Sie vielleicht noch andere Namen hinzufügen?», fragte der Hakim spöttisch. «Nein?» Er blieb stehen und musterte sein Opfer. «Schön. Lassen wir es einstweilen dabei.» Plötzlich wurde sein Blick fragend. «Ich sehe das Buch nirgends. Wo ist es?»
«Ich habe es nicht», antwortete Kirkwood knapp.
Der Hakim zog skeptisch eine Braue hoch.
«Er hat es nicht», bestätigte Corben. «Er hat es Evelyn Bishops Tochter gegeben. Sie ist inzwischen wahrscheinlich auf dem Weg zu unserer Botschaft.»
Der Hakim ließ sich diese Information durch den Kopf gehen. Dann zuckte er die Achseln. «Vermutlich macht es nichts. Die Formel enthielt es sowieso nicht, oder? Ich meine, das haben Sie selbst gesagt. Und Sie hatten keinen Grund zu lügen.» Er sah Kirkwood prüfend an und fügte dann hinzu: «Jedenfalls nicht gegenüber Miss Bishop. Sie würden sie doch nicht belügen, nicht wahr?»
Kirkwood gefror das Blut in den Adern. Er begriff, dass der Hakim sie belauscht haben musste. Schnell versuchte er, sich zu erinnern, was genau er in diesem Zimmer gesagt hatte.
«Und trotzdem hatten Sie es sehr eilig, herzukommen», fuhr der Hakim fort. «Um mit diesem Mann zu sprechen.» Er richtete einen eleganten Finger auf den Mann am Boden. «Was hofften Sie denn von ihm zu erfahren?»
Kirkwood schwieg.
«Vielleicht hofften Sie, zu erfahren, was aus Ihrem Vorfahren geworden ist? Und mit etwas Glück vielleicht auch, was er entdeckt hat?» Der Hakim trat ans Fenster und schaute hinaus. «Ein faszinierender Mann, Ihr Vorfahre. Und ein Mann mit vielen Namen», höhnte er. «Sebastian Guerreiro. Marquis de Montferrat. Comte de St. Germain. Sebastian Botelho. Und das sind nur die, von denen wir wissen. Aber schließlich, nehme ich an, hat er ein sehr ausgefülltes Leben geführt, nicht wahr?»
Jeder dieser Namen rutschte wie ein Sack Ziegelsteine in Kirkwoodss Magen. Es hatte keinen Sinn, zu leugnen. Der Mann war offensichtlich gut informiert. «Woher wissen Sie das alles?»
«Nun, wenn Sie irgendetwas über Ihren Vorfahren wissen», antwortete der Hakim hochfahrend, «dann müssen Sie auch von meinem schon gehört haben. Vielleicht klingelt’s bei seinem Namen. Raimondo di Sangro?»
Die Ziegelsteine wurden zu Säure.
Kirkwood kannte diesen Namen nur zu gut.
Der Hakim trat an ihn heran. Seine Augen glitzerten neugierig. «Der Kreis schließt sich. Ein Satz, der eine ganz neue Bedeutung bekommt – finden Sie nicht auch?» Sein Gesicht wurde ernst. «Ich werde uns allen ein wenig Zeit ersparen. Wie ich schon sagte, unser freundlicher Gastgeber», er deutete abschätzig mit dem Kopf auf den mochtar , «und ich hatten soeben eine nette kleine Unterredung. Mehr als alles andere hat sich bestätigt, dass die Menschen an abgelegenen Orten wie diesem viel über ihre Geschichte wissen.» Er deutete an die Wände des Zimmers.
Kirkwood schaute sich um und sah, was er meinte. Verblichene Porträts der Ahnen des mochtar hinter stumpfem Glas blickten auf sie herab. Sie hatten einen Ehrenplatz an der größten Wand des Zimmers.
«Die Menschen hier haben weder Videospiele noch Kabelfernsehen, um sich zu unterhalten», fuhr der Hakim fort. «Stattdessen erzählen sie einander Geschichten, geben ihre Lebenserfahrungen weiter. Vor allem die Jesiden haben eine phänomenale mündliche Überlieferung, vielleicht aus der Not geboren, wenn man bedenkt, dass ihre heiligsten Schriften verloren sind.»
Die heilige Schrift der Jesiden, das Maschaf
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