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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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hatte ihre Hausaufgaben gemacht, nachdem der Vertreter der Stiftung sie angesprochen hatte –, aber die gesamte Region geriet zusehends außer Kontrolle. Extremisten auf allen Seiten der großen Spaltung ersannen immer neue schmerzhafte und unerhörte Aktionen, und eigentlich war heutzutage nichts unvorstellbar.
    Okay, jetzt wirst du albern. Beruhige dich. Sie ist Archäologieprofessorin, Herrgott. Sie lebt seit Jahren hier. Wahrscheinlich ist es eine routinemäßige Formalität. Du gibst ihr das Telefon zurück, sie fährt zu ihrer Verabredung, und du bist rechtzeitig wieder im Hotel, wenn Jon Stewart kommt.
    Sie glaubte sich selbst nicht.
    Sie hatte einfach ein sehr schlechtes Gefühl.
    Noch einmal ließ sie sich den Abend durch den Kopf gehen, und obwohl Mia ihre Mom eigentlich nicht besonders gut kannte, hatte sie vom ersten Augenblick an ihre Unruhe und den gekünstelten Tonfall wahrgenommen.
    Eigentlich war es ohnehin ein kleines Wunder, dass das Band zwischen ihnen so stark war.
    Mia war von ihrem dritten Lebensjahr an bei der Schwester ihrer Mutter, bei Adelaide und ihrem Mann Aubrey, auf Nahant aufgewachsen, einer winzigen Insel nördlich von Boston. Ihre Mom hatte sie nur zu Weihnachten und im Sommer gesehen, wenn Mia zu den glutheißen Ausgrabungsstätten gereist war, an denen Evelyn arbeitete.
    Kurz nachdem Evelyn ihre Tochter in Bagdad zur Welt gebracht hatte, war klar gewesen, dass es alles andere als ideal wäre, Mia im Irak großzuziehen. Als alleinerziehende Mutter im Nahen Osten forderte man zu jener Zeit verächtliches Getuschel geradezu heraus. Auch die politische Lage war nicht die beste. Ein Jahr nach Mias Geburt hatte Saddam Hussein in einem blutigen Putsch die Macht übernommen und das Land in Angst und Schrecken gestürzt. Evelyns Ausgrabungen betrachtete das Regime mit Stolz, deshalb war sie nicht in Gefahr, aber die Lebensbedingungen um sie herum wurden von Tag zu Tag trostloser, und so saß sie schon bald in einem Flugzeug nach Kairo.
    Ägypten hatte Evelyn mit offenen Armen empfangen, und die Arbeit dort war äußerst reizvoll. Mit dem Schul- und Gesundheitswesen sah es anders aus. Evelyn plagte sich das erste Jahr hindurch, bemüht, die Mutterschaft mit ihrer Ausgrabungsarbeit zu vereinbaren und Mia ein anständiges Leben zu bieten, aber sie wusste, dass sie früher oder später eine Entscheidung würde treffen müssen. Eine Cholera-Epidemie, die über das Land hereinbrach, als Mia drei Jahre alt war, machte ihr endgültig klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Arzneimittel waren knapp, Kinder starben – Evelyn musste Mia an einen besseren, sicheren Ort bringen.
    Die Vorstellung, diese Region zu verlassen, hatte ihr Höllenqualen bereitet. Ihre Schwester Adelaide bot ihr einen schwierigen Kompromiss an. Sie und ihr Mann hatten ein Kind, eine Tochter, die fünf Jahre älter als Mia war. Komplikationen während der Geburt hatten dazu geführt, dass Adelaide keine weiteren Kinder bekommen konnte, obwohl sie und ihr Mann sich sehr danach sehnten. Sie hatten über eine Adoption nachgedacht, als Evelyn an jenem Weihnachtsfest zu Besuch kam. Und eines Abends, als der Schnee auf dem Strand vor ihrem Haus lag, machte Adelaide einen Vorschlag. Sie waren ein fürsorgliches und solides Ehepaar, und Evelyn wusste, dass sie Mia ein liebevolles Zuhause und eine Schwester bieten konnten.
    Sie hatten ihr Wort gehalten und Mia eine wunderbare Heimat gegeben. Sie war zum College gegangen und hatte sich mit der Zeit immer weiter von Evelyn entfernt.
    Und dann war dieses Projekt gekommen.
    Mias DNA-Schnüffelei war nicht weit entfernt von der traditionelleren Forschung der Historiker und Archäologen, die in Steinen und Knochen wühlten. Ein großer Teil der Informationen, die Mia benötigte, gehörte für Evelyn zum täglichen Brot, und so hatten sie sich am Tag ihrer Ankunft in Beirut wiedergetroffen – weniger als Mutter und Tochter, sondern eher wie schüchterne Freundinnen.
    Mia hätte die Freundschaft gern vertieft, aber Evelyn war eine harte Nuss. Das Leben anderer Leute betrachtete sie mit der instinktiven Neugier einer Forscherin, aber selbst öffnete sie sich nur selten. Mia teilte ihre Faszination, aber sie war viel offenherziger – zu offenherzig, wenn man ihrer Mutter glauben konnte. Mia hatte Evelyn anfangs als distanziert und reserviert empfunden, und so hatte sie angenommen, sie würden kollegial zusammenarbeiten, und dabei würde es bleiben. Aber nach ein paar langen Autofahrten zu

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