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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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da und beobachtete sie. Er hielt die Ampulle vor ihrem Gesicht hoch und schien ehrlich beeindruckt davon zu sein. «Eine interessante kleine Substanz, das hier. Sie heißt Capsicain, und wir gewinnen sie aus Chilischoten. Aber der Biss in eine Peperoni ist sicher etwas anderes als die Injektion dieses Konzentrats in die Blutbahn, oder?» Sein verlogenes Lächeln zerlief, sie blinzelte die Tränen weg und erschauerte unter dem sengenden Schmerz.
    «Die Chilischote ist eine phantastische kleine Frucht», fuhr er nüchtern fort. «Sie verrät uns viel über die menschliche Natur. Ich meine, überlegen Sie doch. Dass es so heftig brennt, wenn Sie hineinbeißen, ist unter evolutionären Gesichtspunkten ein Verteidigungsmechanismus. Die Pflanze verhindert damit, dass Tiere sie fressen. Das funktioniert bei allen anderen Tieren, aber nicht bei uns Menschen. Nein, wir sind da anders. Statt uns von ihr fernzuhalten, pflücken wir diese kleine rote Frucht. Wir pflanzen sie an, und wir genießen sie. Zum einen geben wir sie tatsächlich in unser Essen. Absichtlich. Aus freien Stücken. Wir genießen den Schmerz, den sie uns zufügt. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem perversen Vergnügen, das es uns bereitet, anderen damit Schmerzen zuzufügen. Wussten Sie, dass die Maya unbotmäßige Mädchen dadurch bestraften, dass sie ihnen Chili in die Augen rieben – und, wenn die Jungfräulichkeit eines Mädchens in Frage stand, auf die Genitalien? Die Inka bezogen im Kampf Stellungen im Wind, der auf ihre Feinde zuwehte, und entzündeten vor der Schlacht riesige Feuer aus Chilischoten. Noch heute benutzen die Chinesen sie bei der Folter tibetischer Mönche. Sie setzen sie gefesselt an ein großes Feuer und werfen Chilischoten hinein. Die Verbrennungen, die sie dabei erleiden, sind so viel schlimmer, ganz zu schweigen von dem, was dabei mit den Augen geschieht. Chili ist der Kugelfisch unter den Früchten. Und wissen Sie, was das Überraschendste ist? Wir entdecken eben erst ihr gewaltiges Potenzial als schmerzstillendes Mittel. Als schmerzstillendes Mittel! So viel zum menschlichen Erfindergeist.»
    Evelyn sah, dass sein Mund sich bewegte, und hörte einzelne Satzfetzen, aber ihr Gehirn konnte sie nicht mehr verarbeiten. Die Schmerzwellen erreichten jedes Neuron in ihrem Körper und verwüsteten sie bis ins Innerste. Sie versuchte, sich an irgendeine Hoffnung zu klammern, an ein Bild oder einen Gedanken, der ihr helfen würde, dem Schmerz auszuweichen, und vor ihrem geistigen Auge erschien Mias Gesicht – nicht das schreiende Gesicht aus der Gasse, sondern das strahlende, lächelnde Gesicht, das sie so liebte. Sie war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, als das Brennen ebenso plötzlich nachließ, wie es angefangen hatte. Sie atmete ein paarmal tief durch und machte sich auf die nächste Welle gefasst, sie wartete voller Angst, aber es kam nichts mehr. Der Schmerz erlosch wie eine Flamme.
    Der Mann im Arztkittel beobachtete sie mit grimmigem Interesse, als wäre sie ein Versuchstier im Käfig. Seine arktischen Augen zeigten nicht den leisesten Schimmer von Besorgnis. Stattdessen warf er einen beiläufigen Blick auf die Uhr und nickte fast unmerklich, als notiere er sich im Geiste ihre Reaktion und deren Dauer.
    Seine letzten Worte vor der Injektion kamen ihr plötzlich wieder in den Sinn. Eine kleine Kostprobe dessen, was sie zu erwarten habe, hatte er gesagt.
    Sie erinnerte sich mit Schaudern.
    Nicht einfach eine Kostprobe.
    Eine kleine Kostprobe.
    Unvorstellbar, wie der Hauptgang ausfallen würde.
    Er sah, dass sie wieder zu sich kam, und nickte dem Gespenst hinter ihr zu. Wortlos gab der Mann ihr einen Schluck Wasser und verschwand wieder im Schatten. Der Mann im weißen Kittel legte den Kopf schräg und beugte sich vor, um sie genauer zu betrachten.
    «Ich glaube, Sie haben mir etwas zu erzählen», sagte er knapp.

18
    Mit einem ungewohnten Gefühl der Verwundbarkeit verließ Mia mit Corben das Hotel und überquerte die Rue Commodore. Jede ihrer Poren kribbelte vor Unbehagen, und sie merkte, dass sie misstrauisch die Gesichter auf der Straße musterte und die Umgebung nach verborgenen Bedrohungen absuchte. Sogar die wartenden Taxifahrer waren ihr unheimlich.
    Sie blieb dicht an Corbens Seite, als er an seinem geparkten Wagen stehenblieb und einen kleinen Lederbeutel aus dem Handschuhfach holte. Sie erkannte, dass auch er die Leute und den Verkehr ringsum wachsam beobachtete. Sie wusste nicht, ob sie das als tröstlich

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