Immortals After Dark 12 - Lothaire
sein, die sich gerade Sorgen um ihn macht? Warum sehnt sie sich nicht nach ihm? Wenn ich böse wäre, und Lothaire hätte mich mit Schmuck und Klamotten überschüttet, würde ich ihn gar nicht mehr aus den Augen lassen.«
»Ach, würdest du?« Die Feyde musterte ihr Gesicht. »Sogar nach allem, was er dir angetan hat?«
Wie so oft hörte Ellie die spöttische Stimme des Vampirs in ihrem Kopf: »
Du kannst Saroya nicht das Wasser reichen.
« Sie hatte sich bislang für immun gegen derlei Beleidigungen gehalten, aber aus irgendeinem Grund hatte diese sie getroffen. »
Du bist mir nachweislich in jeder Hinsicht unterlegen: Intelligenz, Aussehen, Blutlinie …
«
Die Verachtung in seiner Stimme, sein höhnisches Grinsen. Sie seufzte. Die
Wahrheit
seiner Worte.
Ihr Ego hatte ganz schön was einstecken müssen.
Aber zugleich hatte er ihr auch immer wieder diese kurzen Einblicke in eine ganz andere Seite von ihm gewährt. Sie hatte den verführerischen, charmanten Lothaire gesehen, dessen Küsse ihr Blut zum Kochen brachten und bei dessen altmodischer Wortwahl – noch dazu mit seinem Akzent – ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief.
»Fragst du mich, ob ich mich in ihn verlieben könnte?«, fragte Ellie. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sich wohl anfühlen würde, von Lothaire geliebt zu werden. Aber sie wusste, dass es sinnlos war, von Dingen zu träumen, die niemals eintreffen würden. »Selbst wenn er wie durch ein Wunder mehr für mich empfinden würde, könnte ich ihn niemals lieben. Da müsste ich doch echt bescheuert sein, wenn ich mich in meinen Entführer verliebe.« Sie sah der Alten in die Augen. »Und ich bin nicht bescheuert. Er ist nur deshalb interessant für mich, weil es für mich um Leben und Tod geht.« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Bier. »Besteht eigentlich die geringste Chance, dass ich seine Braut bin?«
Die Feyde schien ihre Worte sehr sorgfältig zu wählen, als sie schließlich antwortete. »Es ist extrem selten, dass ein Mythianer eine sterbliche Gefährtin hat. Ich überlege gerade, welche Paare diese Akzession bisher zusammengebracht hat, und mir fällt nicht ein einziger Fall mit einem Menschen ein. Dazu kommt, dass Lothaire Sterbliche mehr verabscheut als jeder andere, den ich kenne.«
»Wie kommt das?«
»Das werde ich dir nicht erzählen, und ich rate dir, ihn nicht danach zu fragen.«
»Aber es wäre
möglich
, dass ich es bin. Warum orakelst du nicht ein bisschen und findest es raus?«
»Du weißt doch, dass ich nur eine gewisse Anzahl von Würfen pro Tag habe.«
Ellie hatte sie gefragt, wie das Werfen der Knochen funktionierte, und erfahren, dass es so ähnlich war, wie einen Text aus einem Buch zu scannen, und wenn man den gescannten Text zu oft neu scannt, werden die Wörter undeutlich.
»Und wenn ich doch zu ihm gehöre?«, wiederholte Ellie eigensinnig. »Wenn du Lothaires Interessen dienst, was glaubst du denn, was mit ihm passiert, wenn er erst mal schnallt, dass er seine einzig wahre Braut umgebracht hat? Meinst du nicht auch, er wäre ziemlich sauer?«
Die Alte wandte den Blick ab. »Ich traue Lothaires Urteil.«
»Erzähl mir, warum du ihm so viel verdankst.«
»Na schön.« Sie nahm sich noch ein Bier und schnippte den Verschluss einfach mit dem Daumennagel fort. »Vor vielen Jahrhunderten arbeitete ich für einen mächtigen Hexenmeister und seine Schwestern. Eine meiner Vorhersagen gefiel ihm nicht, also verfluchte er mich dazu, wie eine abstoßende alte Frau auszusehen, die zeit seines Lebens an seinen Willen gefesselt war – eine besonders fatale Situation für mich, weil es unglaublich schwierig war, ihn zu töten. Er war nämlich unter dem Namen ›der Unsterbliche‹ bekannt.« Ihre Finger umschlossen die Flasche immer fester. Gerade als Ellie dachte, sie würde zersplittern, lockerte die Feyde ihren Griff wieder. »Wenn Lothaire nicht gewesen wäre, säße ich immer noch gefangen in einem feuchten, dunklen Keller. Er hat all seine Verbündeten hintergangen und einen Pakt gebrochen, um den Mörder des Hexenmeisters zu befreien.«
»Das alles hat Lothaire für dich getan?«
Die Feyde lachte freudlos. »Nein, nein, er hatte andere – mysteriöse – Gründe. Meine Freiheit war nur ein glücklicher Zufall, aber trotzdem ließ er mich vorher einen Eid ablegen, sodass ich als Schuldnerin in seinem berühmt-berüchtigten Buch lan…« Ihre Küchenuhr klingelte. »Ich bin gleich wieder da. Pass auf, dass du keinen Sonnenbrand
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