Imperator 02 - König der Sklaven
Unentschlossenheit. Sollte er sich in eine Stadt zurückziehen? Sie gehörten alle den Römern, und die würden ihre Mauern bis zum letzten Mann verteidigen. Aber wo konnte er auf der Ebene Sicherheit finden? Es war durchaus möglich, dass weitere Legionen von Westen herankamen, um den Aufstand niederzuschlagen, das wusste er, und er spielte mit dem Gedanken, seine Armee aufzulösen und die Männer nach Hause zu schicken, zurück auf ihre Höfe und in ihre Täler. Nein, das konnte er nicht tun. Die Römer würden sie auf der Suche nach den Rebellen einen nach dem anderen finden. Damit wäre überhaupt nichts gewonnen.
Er knirschte in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Seit er in der vergangenen Nacht die Leichen seiner Männer gesehen hatte, brodelte es in ihm. Würde sich Alexander zwischen den Legionen in die Falle locken lassen?
Plötzlich blieb er stehen. Nein, das würde Alexander auf keinen Fall tun. Alexander würde ihnen entgegenmarschieren und sie zur Schlacht herausfordern. Aber in welcher Richtung? Wenn er mit seiner Armee nach Osten aufbrach, konnten ihn die, die von der Küste kamen, immer noch einholen. Marschierte er nach Westen, auf die römischen Häfen zu, würden die nächtlichen Mörder seiner Nachhut keine ruhige Minute gönnen. Die Götter mochten ihm verzeihen, aber was würde Sulla tun? Wenn die Späher ohne Neuigkeiten zurückkehrten und er nicht handelte, würden seine Männer anfangen zu desertieren, davon war er überzeugt.
Mit einem Seufzer goss er sich einen dritten Becher Wein ein, trotz des sauren Gefühls in seinem leeren Magen, der gegen eine solche Behandlung so früh am Tag rebellierte. Gereizt ignorierte er das unangenehme Gefühl und stürzte den Wein hinunter. Bald würde er seinen Söhnen sagen müssen, dass sie schuld am Tod vieler Männer waren, weil sie in der Nacht nicht schnell genug reagiert hatten.
Er trank mehr und mehr, während der Tag verging und die Späher auf schweißnassen Pferden ohne Nachrichten zurückkehrten. Von allen Männern im Lager war Mithridates, der König, der Einzige, der sich bei Einbruch der Nacht in den Schlaf getrunken hatte.
Julius wusste, dass die Einschätzungen des kurzen nächtlichen Überfalls ungenau oder übertrieben sein würden. Es lag in der Natur der Soldaten, größere Erfolge in Anspruch zu nehmen, als sie errungen hatten. Doch selbst eingedenk dieser Tatsache hatten sie Mithridates’ Streitmacht um achthundert bis tausend Mann dezimiert und dabei selbst nur elf Männer verloren. Diese Legionäre würden nicht unter den Augen der römischen Götter begraben werden. Sie hatten keine Zeit gehabt, ihre Toten mitzunehmen, trotzdem war es den Veteranen, die ihre eigenen Leute noch nie gerne in den Händen der Feinde zurückgelassen hatten, ein Dorn im Fleisch.
Sobald sie den Schutz der Bäume auf den Hügeln erreicht hatten und Julius die Erlaubnis zum Wegtreten gab, mussten die jüngeren Männer einen Teil der nächtlichen Anspannung abreagieren. Sie schrien und jubelten, bis sie heiser waren, während die Veteranen ihnen lächelnd zusahen und sich lieber mit dem Reinigen und Ölen ihrer Ausrüstung beschäftigten, als zu feiern.
Quertorus hatte fünfzig der besten Jäger losgeschickt, um für Fleisch zu sorgen, und am frühen Vormittag stand ein dampfendes Mahl aus Igeln, Hasen und Rehen bereit, die über kleinen Feuern brieten. Jede Flamme bedeutete ein Risiko, doch die Bäume würden den Rauch verteilen. Julius wusste, wie sehr die Männer die Wärme des heißen Fleisches brauchten, um ihre Lebensgeister zu wecken, und bestand lediglich darauf, dass die Feuer gelöscht wurden, sobald die letzten Tiere, die die Jäger zur Strecke gebracht hatten, gebraten waren.
Der Altersunterschied wurde an diesem Nachmittag besonders deutlich. Die jungen Rekruten hatten sich vollkommen erholt und liefen plaudernd und lachend im Lager umher. Die Veteranen schliefen wie Tote, ohne sich auch nur im Schlaf umzudrehen, und erwachten steif und verkrampft. Blutergüsse zeigten sich auf ihrer Haut, wo in der Nacht noch nichts zu sehen gewesen war. Die Jüngeren taten ihre Wunden mit einem Kopfschütteln ab, machten sich jedoch nicht über die Steifheit der Veteranen lustig. Sie sahen in erster Linie ihr Können, nicht ihr Alter.
Julius hatte Cornix nahe der Feuerstellen gefunden, wo er fröhlich vor sich hinkaute und offensichtlich die Wärme in seinen alten Knochen genoss.
»Du hast also überlebt«, sagte Julius, der sich ehrlich darüber
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