Imperator 02 - König der Sklaven
gerissen. Als das Geräusch lauter wurde, trat Julius zur Seite. Noch ehe er die kleine Gestalt auf dem Rücken des kraftvollsten Hengstes aus seinem Stall sah, wusste er, wer der Reiter sein musste. Als er sich eine finstere Miene abrang, die den Jungen auf den feuchten Blättern des Waldweges jäh anhalten ließ, fiel Julius auf, wie geschickt und sicher Octavian ritt.
Der Hengst schnaubte und tänzelte ein wenig; er zerrte an den Zügeln, weil er weiter wollte. Octavian glitt mit einer Hand in der Mähne vom ungesattelten Rücken des Tieres herab. Julius sagte nichts, als er auf ihn zuging.
»Es tut mir Leid«, sagte Octavian und wurde rot vor Scham. »Er musste bewegt werden, und die Stallknechte wollen nie mit ihm raus. Ich weiß, ich habe gesagt …«
»Komm mit«, schnitt ihm Julius das Wort ab.
Sie gingen schweigend den Hügel hinunter. Der unglückliche Octavian führte den Hengst hinter Julius her. Er wusste, dass ihm höchstwahrscheinlich eine Tracht Prügel bevorstand, oder er wurde, was noch viel schlimmer war, in die Stadt zurückgeschickt und würde nie wieder auf einem Pferd reiten. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er rasch wegwischte. Julius würde ihn verachten, wenn er sah, dass er heulte wie ein kleines Kind. Octavian nahm sich vor, seine Strafe ohne Tränen entgegenzunehmen, selbst wenn er vom Gut weggeschickt wurde.
Auf Julius’ Ruf hin wurde das Tor geöffnet, und er marschierte mit Octavian direkt zum Pferdestall. Einige Pferde waren verkauft worden, als Tubruk das Lösegeld hatte aufbringen müssen, doch die besten Zuchttiere hatte der Verwalter behalten, um den Bestand wieder aufzufüllen.
Als Julius in den angenehm warmen Atem des dunklen Stalls trat, ging gerade die Sonne auf. Er zögerte, als die Pferde die Köpfe drehten, um ihn zu begrüßen, und mit ihren weichen Nüstern die Luft einsogen. Ohne ein Wort der Erklärung ging er auf einen jungen Hengst zu, den Tubruk großgezogen und trainiert hatte, und strich ihm mit der Hand über die kräftige, braune Schulter.
Octavian sah verwundert zu, wie Julius ihm Zügel anlegte, von dem Gestell an der Stallwand einen Sattel auswählte und das leise wiehernde Pferd schweigend in die Morgensonne hinausführte.
»Warum reitest du nicht öfter mit deinem Pony aus?«, fragte er dann.
Octavian starrte ihn völlig verdutzt an.
»Es ist zu langsam«, antwortete er und tätschelte dabei dem großen Hengst gedankenverloren den Hals. Das riesige Tier ragte hoch über ihm auf, scheute aber nicht vor der Berührung zurück und legte auch nichts von den Launen an den Tag, die den Stallburschen des Gutes so viel Verdruss bereiteten.
»Du weißt doch, dass du mit mir verwandt bist, nicht wahr?«, fragte Julius.
»Ja. Meine Mutter hat es mir gesagt«, antwortete der Junge.
Julius überlegte einen Augenblick. Sein eigener Vater hätte wahrscheinlich den Stock hervorgeholt, wenn er seinen Sohn oder Brutus dabei erwischt hätte, wie sie mit seinem besten Hengst durch den Wald galoppierten, doch er wollte sich seine zuversichtliche Stimmung nicht verderben. Schließlich hatte er Alexandria ein Versprechen abgegeben.
»Dann komm, Vetter. Sehen wir doch mal, ob du so gut bist, wie du denkst.«
Octavians Miene hellte sich auf, als er sah, wie Julius beide Pferde vor das Tor führte. Auf dem Hof sah er zu, wie der Junge auf den Rücken seines Hengstes sprang, und stieg mit etwas bedächtigeren Bewegungen selbst in den Sattel, stieß dann jedoch ein lautes Kriegsgeheul aus und jagte sein Pferd im Galopp den Hügel hinauf.
Octavian sah ihm mit offenem Mund nach, dann stahl sich ein Lächeln über sein Gesicht, und er grub seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Mit einem Antwortjauchzen sauste er mit im Wind flatternden Haaren hinterher.
Als Julius ins Haus zurückkam, sehnte sich Cornelia unbändig danach, ihn zu umarmen. Rot im Gesicht vom Reiten und das Haar voller Staub, sah er so jung und lebendig aus, dass es ihr fast das Herz brach. Sie wollte, dass er sie anlächelte, wollte seine kräftigen Arme spüren, wenn er sie festhielt, doch stattdessen merkte sie, dass sie ihn wütend anfuhr, wie die Verbitterung unkontrolliert aus ihr hervorbrach, obwohl sie eigentlich viel zärtlichere Worte hatte sagen wollen, Worte, die ihr einfach nicht einfallen wollten.
»Wie lange soll ich hier noch als Gefangene leben?«, fragte sie. »Du hast deine Freiheit, aber ich kann weder essen noch irgendwo hingehen, ohne dass mir ein Trupp von deiner
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