Imperator 04 - Die Götter des Krieges
absuchen sollte. Julius fühlte sich merkwürdig frei, als ihm bewusst wurde, dass es für ihn jetzt nichts mehr zu befehlen oder zu korrigieren gab. In der dauernden Anspannung bedeutete das für ihn eine beinahe willkommene Pause. Er dachte an Renius und wünschte sich, er könne jetzt hier stehen. Der alte Mann hätte sicher seinen Spaß an Julius’ riskantem Spiel gehabt und den Sinn dahinter verstanden. Starr sah Julius geradeaus, als könne seine bloße Vorstellungskraft die Küste Griechenlands endlich in Sichtweite zwingen. So viele Geister lagen hinter ihm, und irgendwo dort vorne wartete Brutus.
Nachdem Cäcilius sich so erfolgreich in Pompeius’ Legionen eingeschlichen hatte, hatte Julius weitere fünf Männer entsandt, um die griechischen Städte zu infiltrieren. Monat um Monat hatte Cäcilius von ihren Hinrichtungen berichtet, so lange, bis er wieder der Einzige war, der über Pompeius’ Truppenbewegungen Auskunft geben konnte. Es war äußerst ärgerlich, so viel Vertrauen in einen einzigen Spion setzen zu müssen, und Julius sorgte sich ständig, dass der Mann zur anderen Seite übergelaufen sein könnte.
Jetzt im Dunkeln tat er auch diese Sorge mit einem Schulterzucken ab. Es lag ohnehin nicht mehr in seiner Macht, etwas daran zu ändern. Wenn die Berichte stimmten, dann lag Pompeius oben im Norden, in der Gegend um Dyrrhachium. Seine Legionen waren verlegt worden, um die Westküste zu verteidigen, doch sie konnten unmöglich rechtzeitig wissen, wo genau Julius landen würde. Es sei denn, sie waren doch auf ihn vorbereitet! Er lächelte schwermütig. Der friedvolle Augenblick war nicht mehr als eine Illusion gewesen. Ebenso wenig konnte er dem endlosen Grübeln über seine Pläne Einhalt gebieten wie dem schneidenden Wind, der seine Männer frösteln ließ.
Ein dumpfes Poltern schwieliger nackter Füße auf dem hölzernen Deck ließ ihn herumfahren.
»Herr? Der Morgen bricht an«, sagte der Matrose und deutete gen Osten.
Julius starrte in die unveränderte Dunkelheit, und gerade als er widersprechen wollte, wurde ein grauer Fleck am Horizont sichtbar und markierte die dünne schwarze Linie, die die Erde vom Himmel trennte. Er hatte schon viele Sonnenaufgänge auf See erlebt, und doch raubte es ihm jedes Mal den Atem, wenn das erste goldene Sonnenlicht langsam emporkroch und die Unterseite der Wolken in rötlich violette Schatten tauchte.
»Feindliches Segel voraus!«, rief ein anderer Ausguck und zerstörte die Idylle.
Julius umklammerte die Reling und wünschte sich, das Tageslicht möge rascher heraufziehen. Irgendwo in der Nähe würde einer von Pompeius’ Kapitänen in panischer Hast seine Befehle brüllen, wenn ihre Flotte aus dem Dunst auftauchte. Julius würde seinen Kurs auf keinen Fall ändern. Er meinte, Land in der Seeluft zu riechen, und wusste, dass dies aus der Verzweiflung geboren war.
Undeutliche Schatten wurden ringsumher sichtbar, als das Morgenlicht auf die dreißig Galeeren fiel. Die Decks waren von geschäftigem Treiben erfüllt. Alle machten sich bereit. Julius wartete auf die Meldung, dass Griechenland endlich in Sicht war, und sein Herz klopfte wild und beinahe schmerzhaft.
Drei von Pompeius’ Galeeren waren jetzt in Sichtweite, die erste sogar so nah, dass man die weißen Flecken links und rechts erkennen konnte, wo die Ruder die Wellen durchpflügten.
»Land in Sicht!«, ertönte der Ruf. Erregt brüllte Julius auf und reckte die Faust gen Himmel.
Auch seine Soldaten brachen in befreiten Jubel aus, der über das Wasser schallte. Der braune Fleck dort vorne bedeutete, dass sie nicht allein auf dem Ozean überrascht werden würden.
Die Trommeln, die die ganze Nacht über hatten schweigen müssen, erwachten jäh zum Leben und schlugen einen noch schnelleren, mörderischen Takt. Bis sie das letzte Stück zum Land hinter sich gebracht hatten, würden einige Herzen den Dienst versagen, aber die Trommeln schlugen unbarmherzig, und die Galeeren glitten gemeinsam dahin.
Julius konnte bereits die Häuser einer erwachenden Stadt ausmachen und hörte die Signalhörner wie das Summen eines Insektenschwarms erschallen, die die Soldaten Griechenlands zusammenriefen, um die Einwohner zu verteidigen. War das Oricum? Er war sich fast sicher, obwohl es schon beinahe zwanzig Jahre her war, dass er von diesem Hafen aus in See gestochen war.
Als der Hafen immer näher kam, brachte der Rhythmus der Trommeln sein Blut noch mehr in Wallung. Drei Galeeren lagen dort vor Anker, und
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