Imperator 04 - Die Götter des Krieges
provisorischen Unterkünfte waren an einem Fluss aufgeschlagen worden, der seinen Ursprung hoch oben über der Schneegrenze in den Bergen hatte, und Brutus hörte die Männer beim Waschen über die Kälte fluchen. Er griff unter den Stoff seines Gewands und kratzte sich gedankenverloren im Schritt. In der Nähe gab es zwar eine Badestube mit einem Feuer zum Wassererhitzen, doch bei den Männern war es zu einer Frage der Ehre geworden, dass ihre Offiziere sich gemeinsam mit ihnen im eiskalten Fluss wuschen. Bei dem Gedanken an die Veränderung, die er bei den Straßenwachen bewirkt hatte, musste er lächeln. Selbst Labienus hatte ihm dazu in seiner eigenen, steifen Art gratuliert. Nach monatelangem hartem Drill und etlichen Manövern hätten sich Senecas Kohorten selbst nicht mehr als die ungeübten Soldaten wieder erkannt, die sie einmal gewesen waren. Brutus hatte ihre Ausbildung mit absichtlicher Gründlichkeit in Angriff genommen, weil er wusste, dass nur das Können dieser Männer ihn am Leben erhalten würde, wenn Julius nach Griechenland kam.
Er ließ seine silberne Rüstung im Quartier zurück und wählte stattdessen eine einfachere aus Leder und Eisen, mit langen, wollenen Bracae, die seine Beine gegen die Kälte schützten. Ein Ruf ließ einen Sklaven herbeieilen, der ihm die Sachen trug, und Brutus trat hinaus in die blasse Morgensonne.
Dyrrhachium war in der Ferne beinahe vollständig unter einer Dunstglocke verborgen; nur am westlichsten Zipfel der Stadt sah man das graue Meer glänzen. Irgendwo dort hielt sich Labienus auf, und Brutus neigte in ironischer Anerkennung den Kopf in die Richtung. Er bezweifelte nicht, dass er den Befehl, seine Männer weit außerhalb der Stadt zu trainieren, dem Geschick des Generals zu verdanken hatte, der sein Problem dadurch löste, dass er den Mann entfernte, der es verursachte.
Als er zum Fluss schlenderte, sah Brutus, dass Seneca bereits vor ihm aufgestanden war. Er stand bereits nackt am Ufer und rieb sich kräftig ab, um seine eisige Haut zu erwärmen. Der junge Offizier grinste Brutus an, doch als die beiden Männer plötzlich nahe der Stadt Bewegungen ausmachten, erstarrten sie und spähten in die Ferne.
»Nanu! Wer kommt uns denn da besuchen?«, murmelte Brutus vor sich hin. Der dunkle Schemen marschierender Männer war noch zu weit entfernt, um Einzelheiten auszumachen, und Brutus entschied sich für ein kurzes Untertauchen und Abbürsten, damit er sie empfangen konnte.
Seneca zog sich bereits wieder an und befestigte Schnüre und Schnallen, die vor Öl glänzten. Als Brutus gerade japsend ins Wasser watete, wurde um das Lager herum bereits Alarm geschlagen; die Holzgebäude erzitterten unter dem Lärm der Männer, die ihre Waffen zusammensuchten.
Brutus tauchte unter. Mit angespanntem Schweigen ertrug er die Kälte, auch wenn sie ihn im ersten Moment beinahe lähmte. Als er wieder hochkam, rang er nach Luft und nahm dankend eine Decke entgegen, um sich abzutrocknen.
»Ich habe noch drei Tage Zeit, bis ich wieder Meldung machen muss«, sagte er zu Seneca, als er seine Bracae anzog und die wollenen Lappen als Schutz gegen die schlimmste Kälte um die Füße wickelte. Er verschwieg seine Angst, Pompeius könnte seine heimlichen Treffen mit Julia entdeckt haben. Er war sich sicher, dass sie ihn nicht verraten hatte. Aber vielleicht hatte Labienus auch sie überwachen lassen, von Männern, die seinem scharfen Blick entgangen waren. Brutus schüttelte den Kopf. Warum sollte man eine ganze Kolonne entsenden, um ihn zu fassen, wenn man ihn ganz einfach in einen Hinterhalt locken konnte, sobald er sich auf den Weg machte, um seinen Bericht abzuliefern?
Brutus und Seneca sahen wortlos zu, wie sich die Soldaten von Dyrrhachium her näherten. Jeder von ihnen durchforschte sein Gewissen nach irgendwelchen Regelüberschreitungen. Ratlos sahen sie einander an. Die Kohorten unter ihrem Kommando stellten sich in perfekter Formation auf, und Brutus war stolz auf ihre Haltung. Die Tage, in denen sie in Schlachtreihen nur ein paar einfache Hornsignale hatten befolgen können, gehörten schon lange der Vergangenheit an. Jetzt waren die Männer so diszipliniert und hart, wie sie Brutus nur hatte machen können.
An der Spitze der heranmarschierenden Kolonne erkannte Brutus Labienus selbst auf einem schwarzen Pferd. Dass Pompeius’ Stellvertreter höchstpersönlich hier heraufgeritten kam, um ihn aufzusuchen, jagte ihm unwillkürlich einen Schauer über den Rücken. Es war
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